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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
Autoren: dtv
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mit dem, was man Julia angetan hat. Nur war es noch schlimmer. An dem Tag, an dem ich sie zum letzten Mal gesehen habe … an jenem Nachmittag … nachdem wir uns getroffen hatten … war sie noch mit jemandem im Bootshaus verabredet.«
    Ihm versagte die Stimme. Er schwieg drei oder vier Sekunden und atmete tief, bis er fortfahren konnte.
    »An jenem Nachmittag hatte meine wunderschöne, törichte Julia eine geheime Verabredung mit Julian Trevelyan. Im Bootshaus. Als sie sich seinen Annäherungsversuchen widersetzte, schlug er sie. Dann drückte er sie zu Boden und nahm sie mit Gewalt. Und darum musste er sterben. Ich wollte, dass er meine Finger an seiner Kehle spürte und merkte, wie sehr ich ihn hasste. Ich wollte, dass er dasselbe Entsetzen empfand wie sie. Ich wollte, dass er erkannte, weshalb ich ihn tötete, und dann wollte ich ihn sterben sehen.«
    Den Rest der Geschichte erzählte Reggie mit einer Stimme, die seltsam distanziert klang. Laut Professor Schmidts Notizbuch hatte dieser Julia schluchzen gehört, als er am Bootshaus vorbeikam. Er schaute durch ein Fenster und sah sie auf dem Boden liegen, mit Blut am Mund, den Rock hochgeschoben. Er sprach sie an, doch als sie seine Stimme hörte, lief sie davon, während der Professor ihr im Wald hinterherstolperte.
    Der Professor war ein guter Mensch, und was er gesehen hatte, verstörte ihn zutiefst. Seinen Notizen war zu entnehmen, dass er nie an der sexuellen Natur des Übergriffs gezweifelt hatte. Er versuchte zwei Tage lang, mit ihr zu sprechen, wurde aber von ihrer Mutter abgewiesen. Die Notizen aus diesen beiden Tagen zeugten von seinem inneren Aufruhr. Er fand kleine Gegenstände im Bootshaus – einen abgerissenen Knopf, einen zerbrochenen Manschettenknopf –, die für sich genommen nichts bedeuteten, doch er legte sie zwischen die Seiten seines Buches. Ohne Miss Woodwards Aussage konnte er nichts unternehmen, und doch war es unerträglich, so untätig zu sein. Irgendwann an diesen beiden Tagen stellte der Professor auch Reggie zur Rede. Da er mit angehört hatte, wie der junge Mann Julia beschimpfte, war es nur verständlich, dass sein Verdacht auf ihn fiel.
    Während sich die Geschichte entfaltete, fragte ich mich, weshalb der Professor seine Sorgen für sich behalten hatte. Hätte er sich mir anvertraut, hätte ich ihm sicher einen Rat geben können. Doch ich war mit meinem eigenen, alles verzehrenden Leid beschäftigt gewesen; ich hatte ihn, selbstsüchtig wie ich war, im Stich gelassen.
    Am Tag vor dem großen Ball sprach er noch einmal im White Cottage vor, und diesmal war Mrs Woodward nicht zu Hause. Irgendwie konnte er Julia überreden, mit ihm zu sprechen. Und in seinem Notizbuch verzeichnete er ihren Bericht in allen schmerzlichen Details.
    Als Reggie an diesem Punkt seiner Erzählung angelangt war, rauchte er mit grimmiger Miene. Er wandte den Blick nur selten vom Fenster ab.
    »Tom, weißt du noch, was ich dir über meine Begegnung mit Julia an diesem Tag erzählt habe? Wie erleichtert sie wirkte, als ich mich von ihr trennte? Es scheint, sie hatte einen anderen Plan gefasst. Wie dumm von mir! Wie unglaublich dumm. Sie wusste nicht, was sie tat. Ich hätte sie warnenkönnen – jeder hätte sie warnen können –, dass man sich mit Julian Trevelyan nicht auf irgendwelche Spielchen einließ. Doch es scheint, dass sie ihm irgendwann über den Weg gelaufen war und er sich ungeheuer charmant und freundlich gegeben hatte … Ich vermute, dass er da schon über sie und Harry Bescheid wusste und auch ein bisschen Spaß haben wollte. Es wäre typisch für Harry, wenn er es seinem Freund gegenüber ausgeplaudert hätte. Und Julian hätte die Vorstellung gefallen, einen Anteil an etwas zu bekommen, das Harry gehörte. Aber das alles hat Julia natürlich nicht gewusst. Also schickte sie Julian eine Nachricht und bat ihn, sich an diesem Nachmittag an irgendeinem geheimen Ort mit ihr zu treffen.«
    Energisch drückte Reggie seine Zigarette im Aschenbecher aus und drehte sich zu mir.
    »Was um Himmels willen hat sie sich dabei gedacht, Tom? Hat sie wirklich geglaubt, Trevelyan würde sich gegen seinen Freund stellen? Oder hat sie gehofft, er sei ebenso leichtgläubig wie ich? Ein besserer Fang wäre er alle Mal gewesen. Aber für Julian Trevelyan bedeutete diese Nachricht nur eines, und er war fest entschlossen, es zu bekommen. Er war es gewöhnt, zu bekommen, was er wollte. Er war so ein Mann.«
    »Und Julia hat dem Professor das alles erzählt?« Ich
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