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Wiedersehen in Barsaloi

Wiedersehen in Barsaloi

Titel: Wiedersehen in Barsaloi
Autoren: Corinne Hofmann
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klein geraten. Das unbekannte Schokoladenmousse zum Abschluss kann ihn jedoch nicht entzücken.
    Während des Essens wird viel gelacht und geredet. Ich erkundige mich nach Lketinga und James antwortet: »He is not bad in this time.« Es gehe ihm gut und er habe vor einem Monat wieder ein junges Mädchen geheiratet. Ich bin überrascht, da diese Absicht in keinem der letzten Briefe erwähnt wurde. James erklärt, dass Lketinga sich erst vor kurzem zu einer weiteren Heirat entschlossen habe. Seine erste, beziehungsweise nach mir zweite Frau, sei ständig krank und habe mehrere Fehlgeburten hinter sich. Lketinga hat bis heute in Kenia nur eine Tochter, Shankayon. Er hätte aber gerne mehr Kinder und habe nun lange genug gewartet. Seine kranke Frau sei schon seit ein paar Monaten nicht mehr in Barsaloi, sondern sei zu ihrer Mutter zurückgekehrt.
    Das sind in der Tat überraschende und unvorhergesehene Neuigkeiten und ich hoffe, dass mein Erscheinen nicht noch zusätzliche Probleme verursacht. Nachdem ich James meine Befürchtungen mitgeteilt habe, meint er lachend: »Nein, nein, es gibt keine Probleme!«
    Er erklärt, dass Lketinga bei meiner Ankunft nicht ohne Frau dastehen wollte, weil dies auf mich vielleicht einen schlechten Eindruck gemacht hätte. Da er sowieso weitere Kinder möchte, sei diese Lösung das Beste. Den ersten Teil der Begründung finde ich zwar etwas weit hergeholt, bin aber dennoch froh, dass Lketinga eine Frau von seinem Stamm an seiner Seite hat. Höchstwahrscheinlich ist sie ein junges Mädchen, nicht viel älter als unsere Tochter Napirai!
    Für uns Europäer ist so etwas kaum vorstellbar. Aber in der Kultur der Samburu haben die Männer meist gar keine andere Möglichkeit, als sich junge Frauen auszusuchen. Häufig werden Mädchen mit bis zu vierzig Jahre älteren Männern verheiratet und wenn diese sterben, dürfen die Frauen, auch wenn sie erst zwanzig Jahre alt sind, nie mehr heiraten. Sie können noch Kinder gebären und diese tragen den Familiennamen des Verstorbenen, wissen aber nie, wer ihr wirklicher Vater ist, weil darüber nicht gesprochen wird. Bei den Samburu gibt es normalerweise keine Liebesheirat. Lketingas und meine Ehe war eine große Ausnahme. Ich weiß, dass er dadurch etwas Schönes, Außergewöhnliches erlebt hat, auf der anderen Seite hat es ihn aber auch verwirrt und verunsichert.
    Wie wird das wohl mit seiner neuen Frau gewesen sein? Ich bin gespannt. Seine erste Frau kannte ich. Sie hat als Mädchen öfter in unserem Shop Lebensmittel eingekauft. Jahre später habe ich sie auf dem Video, das Pater Giuliani während unseres Hochzeitsfestes gedreht hat, entdeckt und mich sehr darüber gefreut. Ich hätte sie gerne wiedergetroffen, als junge Frau und Mutter von Napirais Halbschwester.
    Wir wechseln ins Kaminzimmer und trinken ein letztes Glas Wein. James bleibt bei Cola, da er Wein nicht kennt und mit dem Motorrad nach Maralal fahren muss. Während ich in das knisternde Feuer schaue, höre ich aufmerksam zu, wie James Albert und Klaus von seiner ersten Begegnung mit mir erzählt. Es war vor der Schule in Maralal, nachdem ich Lketinga endlich gefunden hatte. Lketinga führte mich zur Schule, um mir seinen Bruder vorzustellen und ihm mitzuteilen, dass wir nach Mombasa gehen werden. James, damals etwa vierzehn Jahre alt, wurde geholt und kam sehr schüchtern auf uns zu. Sein Blick war gesenkt und er traute sich kaum, uns anzuschauen.
    Nun versucht er, seinen damaligen Zustand zu beschreiben: »Ich war sehr verunsichert, weil ich dachte, diese Weiße wäre mein Sponsor. Ich wusste, dass eine amerikanische Lady meine Schule finanzierte, und überlegte, warum sie auf einmal dastand. Was konnte das nur bedeuten? Ich war sehr nervös. Erst als mein Bruder mir erklärte, dass Corinne zu ihm gehöre und hierher gekommen sei, um ihn zu suchen, merkte ich, was los war. Aber auch diese Neuigkeiten erschienen mir verrückt. Mein Bruder mit einer weißen Frau, die bei unserer Mama leben wollte? Da sah ich viele Probleme kommen, weil er nie eine Schule besucht hatte. Er wusste nichts über die weiße Welt und auch alle anderen bei uns zu Hause kannten nur das traditionelle Samburuleben. Es ist etwas anderes, wenn man eine Schule besucht hat, aber so sah ich nur Schwierigkeiten. Lketinga ist älter als ich und war damals ein Krieger. Ich hingegen war noch ein unbeschnittener Schuljunge und konnte einem Krieger nicht sagen, was ich dachte. Ja, und die Probleme tauchten bereits in Mombasa
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