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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Autoren: Thomas Fricke
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existierenden)Gleichgewichts fallen müssen. Und dann säßen sie auf teuer gekauften Papieren, die nichts mehr richtig wert wären. Weshalb sich die Spekulanten auch nicht vertun würden.
    Wenn das stimmt, ist jedes weitere Billiönchen, das an den Finanzmärkten gehandelt wird, großartig. Dann konnte die Entfesselung der Märkte nicht weit genug gehen. Dann musste jeder zusätzliche Austausch von Papieren noch mehr Erkenntnisgewinn bringen. Dann ist es prima, wenn pro Millisekunde noch ein Milliardchen mehr gehandelt wird. Wenn möglichst viele mitmachen. Und dann ist natürlich wichtig, dass keiner stört. Dann steigt mit jeder Finanzinnovation einfach die Chance, dass noch mehr und bessere Informationen in die Preisfindung eingehen. Und es sinkt das Risiko, dass der Markt eine Fehlentwicklung übersieht. Dann wird Unternehmen oder Regierungen umso schneller Druck vom Markt gemacht, diese Fehler zu beheben. Dann wirkt das Anlegertreiben wunderbar disziplinierend. Kurz: Je mehr, schneller und größer, desto besser, effizienter und stabiler wird das ganze Finanzsystem, desto mehr wird es dem Rest der Wirtschaft zugute kommen. Ein Traum.
    Friedmans Idee erlag eine ganze Generation (oder mehr) von Experten und Politikern, die sie ins morgendliche Marktwirtschaftsgebet übernahmen. Die Ökonomen des deutschen Sachverständigenrats forderten mit Verweis auf die heilende Kraft freier Finanzmärkte bereits Ende der 60er Jahre, das Bretton-Woods-System zu kippen – und wieder freien Devisenhandel zuzulassen. Weil das Treiben der Anleger über Angebot und Nachfrage mehr Stabilität bringen werde. Über drei Jahrzehnte wurde im Grunde alles durchgewunken, was noch mehr Freiheit für die Banken brachte.
    Die Idee schien so unangreifbar, dass die immer riesigeren Finanzmärkte in gängigen Lehrbüchern kaum noch vorkamen, ebenso wenig wie in den großen volkswirtschaftlichen Modell- und Prognoserechnungen von Notenbanken und Internationalem Währungsfonds. Warum auch? Wenn der Markt es wie wundersam richtet, muss man dazu auch nicht mehr viel sagen, geschweige denn intervenieren. Man lässt ja als gesunder Mensch auch nicht alle zwei Stunden seine Blutwerte messen.
    Aufkommende Zweifel an der Wunderwirkung
    Sie klingt im Grunde ja auch hinreißend, die Theorie vom perfekten Massentreiben, der Klugheit der Vielen und der Vorsicht stabilisierender Spekulanten aus purem Eigeninteresse. Und wahrscheinlich gibt es die im Kleinen auch, wenn der Kurs von Aktie Soundso seit Tagen stark steigt – und die ersten zu wetten beginnen, dass es da früher oder später zur Korrektur kommt.
    Nur: Wie konnte es dann passieren, dass über viele Jahre alle Anleger wie benommen mal asiatische, mal griechische Staatsanleihen gekauft haben? Wo waren da die stabilisierenden Spekulanten? Hätten die nicht wenigstens allmählich verkaufen und ihren postulierten Zweck erfüllen müssen? Wo doch Griechenlands Staatsdefizite schon seit vielen Jahren relativ hoch waren? Und heute jeder sagt, dass da alles schon lang marode war?
    Wo ist die disziplinierende Wirkung, wenn die Märkte über Jahre hinweg erst gar nicht reagieren – und dann panisch, wie bei den südeuropäischen Ländern in der Euro-Krise? Ist es normal, wenn dann von einem Tag auf den anderen die Zinsen hochschießen, auch wenn sich fundamental eigentlich nichts geändert hat? Wie sinnvoll ist es, wenn dafür dann alle in deutsche Staatsanleihen rennen, auf die der Finanzminister plötzlich keine Zinsen mehr zahlen muss – Verschuldung gratis?
    Wo waren die stabilisierenden Spekulanten in den Jahren, bevor im Juli 1997 die Asienkrise ausbrach und eine riesige Erwartungsblase platzte? Hätten schlaue Anleger da nicht viel früher auf Rückzug wetten sollen – und den Trend damit gar nicht so weit kommen lassen?
    Warum schießen Wechselkurse oft rapide in eine Richtung, selbst wenn das fundamental nicht richtig erklärbar ist? Warum ließen Devisenhändler die Mark Anfang der 90er Jahre so dramatisch aufwerten, obwohl Deutschland nach dem Einheitsboom auf eine langwierige Krise zusteuerte? Prognoseversagen? Muss so ein Land nicht abwerten? Und wäre es da nicht schlau gewesen, als Spekulant darauf zu wetten?
    Zu den spektakulärsten Ausfällen vermeintlich weiser Spekulation dürfte der unbekümmerte Trend zum Schönrechnen bis zumgroßen Crash 2007 gehören. Nach Rechnung von Adair Turner, dem Chef der britischen Financial Services Authority (FSA), sank der Risikoaufschlag, den die
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