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Wie man Freunde gewinnt

Wie man Freunde gewinnt

Titel: Wie man Freunde gewinnt
Autoren: Dale Carnegie
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Erfolg öffnen würde. Aber wenige Jahre im rauhen Klima der Berufs- und Geschäftswelt hatten genügt, um ihnen diese Illusion zu rauben. Sie hatten erlebt, wie
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    einige der bedeutendsten geschäftlichen Erfolge von Männern gebucht wurden, die nicht nur über Wissen verfügten, sondern außerdem über die Fähigkeit, gut und überzeugend zu sprechen, die Menschen für ihre Ansichten zu gewinnen und sich und ihre Ideen zu «verkaufen».
    Sie entdeckten schnell, daß Persönlichkeit und rednerische Gewandtheit wichtiger sind als Griechisch und Latein, wenn man im Geschäftsleben ans Ruder kommen will.
    Das Zeitungsinserat verhieß ein höchst unterhaltsames Treffen. Und das wurde es denn auch.
    Achtzehn ehemalige Kursteilnehmer wurden vors Mikrofon gerufen, und fünfzehn davon erhielten genau fünfundsiebzig Sekunden Zeit, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Keine Sekunde mehr. Dann ging der Hammer des Vorsitzenden nieder, und es hieß: «Der nächste Redner, bitte!»
    Das Ganze wickelte sich in einem Tempo ab, als ob eine Büffelherde über eine Ebene brauste. Die Zuhörer kamen anderthalb Stunden aus dem Staunen nicht heraus.
    Die Redner bildeten eine Art Querschnitt durchs Berufsleben: verschiedene Vertreter, ein leitender Angestellter eines Warenhauses, ein Bäcker, ein Verbandspräsident, zwei Bankbeamte, ein Versicherungsagent, ein Buchhalter, ein Zahnarzt, ein Architekt, ein Drogist und endlich ein Rechtsanwalt, der eigens aus Havanna hergereist war, um die Kunst zu erlernen, in drei Minuten alles Wesentliche zu sagen.
    Der erste Redner stammte aus Irland, war nur vier Jahre in die Schule gegangen und dann nach Amerika verschlagen worden, wo er als Mechaniker und später als Chauffeur arbeitete. Als er vierzig war und eine wachsende Familie hatte, die immer mehr Geld verschlang, versuchte er es als Lastwagenverkäufer. Da er aber an einem Minderwertigkeitskomplex litt, wie er selber sagte, sank ihm vor jedem Verkaufsgespräch das Herz in die Schuhe, und er mußte zuerst eine Weile vor dem Büro des
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    Kunden auf und ab gehen, bevor er den Mut fand, die Tür zu öffnen. Mit der Zeit wurde er so verzagt, daß er daran dachte, wieder als Mechaniker zu arbeiten. Da erhielt er eines Tages einen Brief, der ihn zu einem Einführungsvortrag über einen Carnegie-Rednerkurs einlud.
    Er hatte nicht die geringste Lust hinzugehen, denn er fürchtete, dort lauter gebildete Leute anzutreffen. Seine Frau aber bestand darauf. «Vielleicht hilft es dir. Brauchen könntest du's wahrhaftig.» Also ging er hin, stand aber erst fünf Minuten auf dem Bürgersteig herum, bevor er sich aufraffte, den Saal zu betreten.
    Die ersten paarmal, da er zu sprechen versuchte, war ihm schlecht vor Angst. Aber im Laufe der Wochen verlor er alle Furcht vor den Zuhörern, und bald stellte er fest, daß er sogar gerne sprach, je größer das Publikum, um so lieber. Allmählich verlor er auch die Angst vor dem einzelnen Kunden, verlor die Angst vor seinen Vorgesetzten. Er unterbreitete ihnen seine Ideen, und schon bald einmal wurde er in die Verkaufsabteilung befördert. Er hatte sich zu einem wertvollen und beliebten Mitarbeiter seiner Firma entwickelt. An jenem Abend im Januar stand dieser Mann, Patrick O'Haire, vor zweieinhalbtausend Menschen im Hotel «Pennsylvania» und erzählte die Geschichte seines Erfolges auf so fröhliche und witzige Art, daß eine Lachsalve nach der andern aus dem Publikum aufstieg. Wenige Berufsredner hätten eine ebenbürtige Leistung vollbracht.
    Der nächste Redner, Godfrey Meyer, Vater von elf Kindern, war ein grauhaariger Bankbeamter. Das erstemal, als er im Kurs zu sprechen versuchte, blieb er buchstäblich stumm. Nicht ein Wort kam ihm in den Sinn. Seine Geschichte ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie einem Menschen, der sich ausdrücken kann, führende Aufgaben zufallen.
    Er arbeitete in der Wall Street und lebte seit fünfundzwanzig Jahren in Clifton, New Jersey. Während dieser ganzen Zeit hatte er sich nie um die öffentlichen Angelegenheiten in seiner
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    Gemeinde gekümmert.
    Kurz nachdem er sich für den Carnegie-Kurs eingeschrieben hatte, erhielt er seine Steuerrechnung und geriet mächtig in Zorn, weil er sich zu hoch besteuert fühlte. Früher hätte er zu Hause in den eigenen vier Wänden vor Wut gekocht oder sich bestenfalls gegenüber einem Nachbarn geäußert. Statt dessen nun setzte er seinen Hut auf, ging in eine Bürgerversammlung und machte seinem Ärger in aller
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