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Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)

Titel: Wie man einen verdamt guten Roman schreibt (Teil 2)
Autoren: James N. Frey
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Geschichte so an, daß der Leser sich m die Figur hineinversetzen kann:
    Ein kalter Wind wehte stürmisch durch die Main Street, und die ersten feuchten Schneeflocken fielen bereits. Sams Zehen fühlten sich taub in seinen Schuhen an, und der Hunger nagte schon wieder an seinen Eingeweiden. Ihm lief die Nase. Er wischte sie an einem Ärmel ab. Es kümmerte ihn nicht mehr, welchen Eindruck er auf andere machte.
    Durch sinnliche und gefühlsbetonte Details versetzen Sie den Leser in Sams Welt und lassen ihn teilnehmen an dem, was Sam erlebt. Sie können Empathie für eine Figur erzeugen, indem Sie die sinnlichen Elemente ihrer Umgebung ausführlich beschreiben, Gegenstände, Geräusche, Schmerzempfindungen, Gerüche und was die Figur sonst noch wahrnimmt - alle Gefühle, die Sam bewegen:
    Sam wachte am dritten Tag auf und schaute sich um. Der Raum hatte weiße Wände, und am Fenster hingen weiße Gardinen. Ein Fernseher mit großem Bildschirm war ziemlich weit oben an einer Wand angebracht. Die Bettwäsche roch sauber, und auf dem Tischchen neben seinem Bett standen Blumen. Er betastete seinen Körper, um sich zu vergewissern, daß er überhaupt da war, da er weder Kälte noch Schmerzen empfand. Noch nicht mal im Bauch, der ihm jetzt schon so lange wehgetan hatte…
    Durch solche gefühlsbetonten, sinnlichen Details, durch die Macht der Suggestion also, werden im Leser Emotionen geweckt und sein Einfühlungsvermögen wird angesprochen.
    Hier ist ein Beispiel für eine gefühlsbetonte, sinnliche Beschreibung aus Stephen Kings Carrie:
    Sie [Carrie] zog das Kleid zum erstenmal am Morgen des 27. Mai auf ihrem Zimmer an. Sie hatte sich einen dazu passenden BH gekauft, der ihre Brüste etwas hob und betonte… Das Kleid zu tragen vermittelte ihr ein unwirkliches, traumgleiches Gefühl, eine Mischung aus Scham und Erregung.
    Beachten Sie, wie ein bestimmtes Detail (der BH, der ihre Brüste etwas hebt) mit einem Gefühl (ein unwirkliches, traumgleiches Gefühl, eine Mischung aus Scham und Erregung) verknüpft ist. Einige Abschnitte später öffnet Carries puritanische Mutter die Tür:

Sie blickten sich an.
    Carrie straffte sich unwillkürlich, stand gerade und aufrecht im Licht der morgendlichen Frühlingssonne, das durchs Fenster fiel.
    Das Straffen des Rückens ist eine symbolische Herausforderung, ein kraftvolles Gefühl, das mit dem sinnlichen Detail verknüpft ist, daß Carrie im Licht steht.
    Da der Leser Mitleid mit Carrie hat, die von ihrer Mutter tyrannisiert wird, identifiziert er sich mit ihrem Ziel, zum Ball zu gehen. Er kann sich m sie hineinversetzen, weil der Erzähler aus gefühlsbetonten, sinnlichen Details eine Realität schafft.
    Im Roten Tapferkeitsabzeichen versucht Stephen Crane mit ähnlichen gefühlsbetonten, sinnlichen Details Empathie hervorzurufen:
    Eines Tages indessen trat ihm sein Zeitgenosse im Morgengrauen gegen das Bein, und dann, ehe er noch ganz wach war, rannte er schon inmitten keuchender Soldaten einen Waldpfad entlang. Die Feldflasche schlug ihm rhythmisch gegen den Oberschenkel, und der Brotbeutel baumelte auf und ab. Bei jedem Schritt wippte das Gewehr etwas von der Schulter weg, und was den Sitz seiner Mütze betraf, hatte er ein unsicheres Gefühl… Der feuchte Morgennebel, schien es dem jungen Mann, wurde vom Ansturm der Massen zerteilt. Von ferne kam plötzlich das Stakkato von Gewehrfeuer.
    Er wußte nicht, was er davon halten sollte. Während er mit den ändern dahinrannte, suchte er seine Gedanken zu ordnen, doch klar war ihm nur das eine: falls er hinschlug, geriet er unter die Stiefel des Mannes hinter ihm. Er schien alle seine Fähigkeiten zu benötigen, um über Hindernisse hinweg und daran vorbeizukommen. Die Masse riß ihn mit sich… Der junge Mensch erkannte, daß es jetzt soweit war. Jetzt galt es sich zu bewähren …
    Achten Sie auf die Details, die auf seine Sinne einwirken: die Feuchtigkeit des Nebels, das Schlagen der Feldflasche gegen seinen Oberschenkel, das Baumeln des Brotbeutels, das Wippen des Gewehrs, der unsichere Sitz seiner Mütze. Behutsam stellt Stephen Crane die Realität des Krieges anhand kleiner Details her, die bei dem jungen Mann das Gefühl auslösen, von der Masse mitgerissen zu werden und sich bewähren zu müssen. Der Leser hat Mitgefühl mit dem Helden (und hätte Mitleid mit jedem Mann, der in einer Schlacht dem Tode ins Auge sieht), er identifiziert sich mit dessen Ziel (Mut zu finden und sich als Mann zu beweisen), und er kann sich in ihn
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