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Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Titel: Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam
Autoren: HanneLore Hallek
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Nebentisch wundern sich mit großen Augen: „Du einmal nicht allein und so vergnügt?!“
    Erst als das Restaurant schließt, gehen wir. In die nächste Kneipe. Ein Irish Pub, in dem der Discjockey gerade mein Lieblingslied ,Chan Chan’ spielt, was mich total übermütig macht. Wir singen mit, lachen und scherzen, trinken und diskutieren. Rechts am Tisch sprechen Nicole und Eric französisch, daneben sprechen Fred und ich englisch, jetzt kommt ein junger Mann zu uns und spricht mit Eric englisch und mit mir deutsch, und Fred spricht mit Eric französisch und Eric spricht mit mir englisch und Nicole spricht manchmal ein paar deutsche Worte mit mir. Nennt mich „Annlorr“, was mich in Verzückung versetzt. Jetzt hält sie Eric schon wieder einen langen Vortrag über seinen Umgang mit Gefühlen — das tut aber der Stimmung keinen Abbruch. Immer wieder kommen Menschen, die uns unterwegs begegnet sind, an unseren Tisch, immer wieder gibt es großes „Hola“ und eine neue Runde. „Habt ihr Lust, mit uns auf eine queimada in die Schokoladenfabrik zu kommen?“ Anisa sucht Mittrinker. „Nein, wir bleiben hier, es geht uns so gut!“ Ein Mann fragt mich unvermittelt auf Deutsch: „Wo ist denn deine Freundin geblieben?“ „Hey, kennen wir uns?“, ich kann mich nicht an ihn erinnern. „Ja, irgendwo vor Burgos habt ihr vor einer Herberge gestritten.“ Upps. „Warst du etwa der Typ in Atapuerca, der die Frauen an seinem Tisch fragte: ,Ist es bei euch auch schon so weit’?“ Er war es. „Weißt du eigentlich, was du damit ausgelöst hast? Nach deinem Satz hat es in meinem Kopf ,pling’ gemacht, und ich hab begonnen wahrzunehmen, was ich tue und mit mir machen lasse. Danke, du bist ein Schatz.“ Er kann sich nicht gegen meine Küsse wehren und bekommt ein frisches Bier in die Hand. „Ich will heut nicht so viel trinken, weil ich morgen früh meinen Zug nicht verpassen darf, das ist mir heut schon passiert. Ich mochte nicht aus Finisterre zurückkommen, aber muss morgen nach Hause. Leider.“ Er bleibt ebensowenig nüchtern wie die anderen, doch auch die Stimmung steigt parallel zum Alkoholpegel. Was für ein Fest! Erst als der Morgen schon graut, verlasse ich die schönste Party meines Lebens.
    Der Bus nach Finisterre wird heute ohne mich fahren.

Bilbao

    Jetzt sitze ich auf dem Flughafen von Bilbao und nehme Abschied von meiner einzigartigen Zeit. Von der überwältigenden Natur und den unbeschreiblichen Gefühlen bei Sonnenaufgängen und in Hitze und Kälte. Von den prächtigen Städten und meinen geliebten Dörfern. Von den Gefühlen des Dazugehörens und der Einsamkeit, von Schmerzen des Erkennens und des Körpers, vom Glück der Begegnungen und des Miteinanders. Von Freundschaft und den gastfreundlichen Spaniern.
    Es war gut, noch in Finisterre gewesen zu sein, die Weite des Ozeans zu sehen, Wehmut und Abschiedschmerz zu empfinden und zu erkennen, dass ich wieder nach Haus möchte.
    Als eine Frau mit Selbstachtung und Würde, die sogar von Eric mit Respekt und Achtung behandelt wurde. Die letzten Tage waren eine gute Übung. Ich habe getan, was ich wollte, ohne Kompromisse, konnte mir Raum verschaffen und Distanz halten, weil ich mich jetzt stark und wertvoll fühle. Ich werde noch aufmerksam üben müssen, doch nie mehr wie vor dieser Reise sein.
    Maja traf ich gestern Morgen am Busbahnhof, auf dem Weg nach Hause. Auch sie ist angekommen. Gesund und zufrieden. Ich freue mich für sie. Jetzt sitzt sie im Bus nach Deutschland. Fährt auch an einem Stück unseres langen Weges entlang. Ob sie genauso sehnsüchtig zurückgeschaut hat?
    Dann habe ich mich noch einmal wie im Abenteuer gefühlt, als ich im dunklen, fremden Bilbao im Chaos am Busbahnhof stand, ohne gelbe Pfeile und Mitwanderer. Doch auch hier wurde mir wieder geholfen, von Beatriz aus Santander, die mich zum Flughafen brachte; und von den Angestellten dort, als es fast aussichtslos schien, einen Flug zu ergattern.
    Jetzt ist alles gut. Wie immer wenn ich die Dinge geschehen lasse.
    Der Tag hier war herrlich, das Museum wunderbar, und danach hab ich Schuhe gekauft. Ein Paar für mich und ein Paar für Max.
    Mein Flug wird aufgerufen.
    Adieu, schönes Spanien. Und danke allen, die mir geholfen haben, die zu werden, die ich jetzt bin. Ich denke in Liebe an euch zurück. Gott behüte euch.

Zu Hause

    Vier Tage bin ich nun zu Hause.
    Seit fünf Uhr morgens sitze ich hier, erschöpft, mit dem Gedanken ,wo bleib ich‘? Alles dreht sich um Max und
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