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Wie du Ihr

Wie du Ihr

Titel: Wie du Ihr
Autoren: Bernard Beckett
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Küche. So blieb uns nichts übrig, als unsere Brote unter den hämischen Blicken der anderen im Gemeinschaftsraum zu essen, in dem es nach leckerem warmem Essen duftete. Während sich alle anderen ausgelassen unterhielten, saßen wir im einzigen Winkel, in dem missmutiges Schweigen herrschte. Rebecca kochte vor Wut, versuchte jedoch, sich vor der Topgruppe nichts anmerken zu lassen. Und mit jeder Minute, in der Rebecca sich ärgerte, schien sich Jonathans Laune zu heben.
    Mr Camden forderte uns auf, unsere Pläne für den nächsten Tag vorzustellen. Die erste Gruppe wollte früh aufbrechen, um gegen 14 Uhr am Ende der hundert Kilometer langen Tagesetappe anzukommen. Anschließend hatten sie noch genug Zeit, um nach Cone Hut zu wandern, bevor es dunkel wurde. Die restlichen Gruppen hatten vor, etwas später aufzubrechen und lediglich die Fahrradetappe zurückzulegen.
    Jede Gruppe bewohnte ihre eigene Hütte. Darauf hatte sich die restliche Klasse geeinigt. Einmal mehr wurde uns das Los der Übriggebliebenen zuteil. Obwohl wir es so lange wie möglich hinauszögerten, blieb uns irgendwann nichts anderes übrig, als uns in die kleine Unterkunft zurückzuziehen. In dem engen Raum war gerade genug Platz für zwei Etagenbetten und es gab nur ein Fenster, das fest verriegelt war. Als wir das Fenster mit vereinten Kräften endlich aufbekamen, schwirrte ein Mücken-schwarm ins Zimmer und sorgte für eine neue Runde gegenseitiger Schuldzuweisungen. Eigentlich wäre das schon genug Ärger für die Nacht gewesen, doch Jonathan war unersättlich. Während wir anderen in unsere Betten krochen, beschloss er, in aller Ruhe in seinen Sachen herumzuwühlen. Er nahm seinen Rucksack, öffnete ihn und kippte den Inhalt auf dem Fußboden aus.
    »Was machst du da?«, fragte Rebecca entnervt. Sie und ich hatten die oberen Betten belegt und von oben hatte sie die beste Aussicht auf den erbärmlichen Zustand seiner Ausrüstung.
    »Umpacken.«
    »Sieh dir mal diesen Haufen an. Willst du die Sachen etwa so mitnehmen?«
    »Was geht dich das an?«
    »Wo ist deine wasserdichte Gepäckhülle?«
    »Brauch ich nicht.«
    »Wart's ab, bis es regnet.«
    »Ich hab genug Plastiktüten dabei.« Man hätte einen Dokumentarfilm darüber drehen können, wie gezielt er ihr auf die Nerven ging. Um ihn herum lagen mehrere in Plastiktüten gewickelte, unförmige Päckchen. Seine Sachen waren genau so verpackt, wie man uns vorher ausdrücklich abgeraten hatte.
    »Du weißt genau, dass das so nichts bringt«, sagte Rebecca. »Da läuft oben Wasser rein.«
    »Na und? Ist nicht dein Problem«, erklärte Jonathan achselzuckend.
    »Ich weigere mich, mit dir aufzubrechen, wenn du so schlecht vorbereitet bist.«
    »Ist mir doch egal.«
    Lisa und ich beobachteten die Szene schweigend.
    »Verdammt noch mal, die reißen doch sofort!« Verzweifelt sprang Rebecca aus ihrem Bett, schnappte das nächstbeste Paket und schwang es durch die Luft. Es wäre eine sehr überzeugende Demonstration gewesen, wenn sie nicht ausgerechnet die Tüte mit Jonathans Unterwäsche erwischt hätte. Ein Paar knallgelbe Boxershorts mit Smiley landete auf ihrem Kopf und es war absolut unmöglich, nicht zu lachen. Genau in diesem Moment betrat Ms Jenkins den Raum.
    »Weißt du, Rebecca, du solltest deine Sachen nicht in Plastiktüten verpacken. Die sind nicht wasserdicht.« Jetzt mussten wir erst recht lachen.
    »Vielen Dank für den Hinweis. Das weiß ich auch«, erklärte Rebecca wutschnaubend und kletterte in ihr Bett zurück.
    »Dann ist's ja gut. Hier, Jonathan, deine wasserdichte Gepäckhülle, nach der du gefragt hast.« Sie reichte ihm die orangefarbene Plastikhülle und ging zur Tür. »Dann bis morgen.«
    »Du bist wirklich ein Arsch, Jonathan«, murmelte ich, als sie weg war.
    »Danke, ich tue, was ich kann.«
    Lisa schlug vor, noch einmal unseren Proviant zu überprüfen, wie wir früher am Abend beschlossen hatten. Doch Rebecca hatte keine Lust mehr. Wahrscheinlich graute ihr schon vor Jonathans nächstem Einfall. Als ich mich an diesem Abend in meinen Schlafsack einwickelte, dachte ich bedrückt, dass die Tour nicht schlechter hätte beginnen können. Doch das war erst der Anfang.

7
    19. April
    Allmählich habe ich das Gefühl, meine Rolle schon viel zu lange zu spielen. Es ist, als wäre man unter Wasser gefangen. Während sich der Körper danach sehnt, den Mund zu öffnen, um endlich Luft zu holen, kämpft der Verstand gegen diesen Drang. Ich habe mal gehört, dass man beim Ertrinken
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