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Wie die Menschheit zur Sprache fand

Titel: Wie die Menschheit zur Sprache fand
Autoren: Dean Falk
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sie gezwungen, die Kinder abzusetzen.
    Sobald sie von ihrer Mutter getrennt wurden, werden die Babys der Frühzeit ohne Frage genauso gejammert haben wie unsere heutigen, und die prähistorische Mama wird versucht haben, sie zu beruhigen. Diese Mutter-Kind-Interaktionen setzten eine Kaskade von Ereignissen in Gang, die zu den ersten Worten unserer Vorfahren und später zur Entstehung einer Ursprache geführt haben.
    Die mütterlichen Laute haben die Babys unserer Vorfahren womöglich noch in ganz anderer faszinierender Weise beeinflusst: So wie es widerstreitende Vorstellungen über die Entstehung von Sprache gibt, sind sich die Experten auch uneins darüber, wann, wie und warum Musik entstanden ist, und ob diese irgendeinen evolutionären Sinn hat. Manche Leute - Steven Pinker zum Beispiel - sind der Ansicht, Musik stelle ein unterhaltsames, aber anderweitig nutzloses Nebenprodukt (»akustischer Käsekuchen«) eines neuronalen Apparats dar, der zu ganz anderen Zwecken entstanden ist. Andere Forscher wehren sich gegen die Vorstellung, Musik habe etwas mit der Sprachentwicklung zu tun, und hängen, wie vor langer Zeit Darwin selbst, der Idee an, es sei vielmehr umgekehrt gewesen. Eines aber ist sicher: Babys überall auf der Welt sind außerordentlich musikalisch, es verwundert
daher nicht, dass Menschen rings um den Globus ihnen Gute-nacht- und Spiellieder vorsingen. Ich glaube, dass Musik und Sprache sich über Jahrmillionen der Evolution Hand in Hand entwickelt haben, während die musik- und sprachverarbeitenden Gehirnregionen (in der rechten beziehungsweise linken Hirnhälfte) allmählich immer größer und bei der Verarbeitung komplexer Geräusche immer leistungsfähiger wurden.
    Auch Gesten haben womöglich eine Rolle gespielt, nicht nur bei der Evolution von Sprache, sondern vor allem auch bei der Entstehung der bildenden Künste. Die Entwicklung künstlerischer Fertigkeiten bei unseren Kindern heute zeigt viele Parallelen zu dem bemerkenswert frühen Auftreten und der nachfolgenden Entwicklung künstlerischer Ausdrucksformen bei Homininen, wie man sie aus fossilen Funden kennt. Ebenso wie Musik scheinen auch Malen und Zeichnen sehr viel früher entstanden zu sein, als viele Forscher annehmen.
    Mit dem Heranwachsen eines Kindes entwickeln sich auch gewisse mentale Abläufe - wie die Fähigkeit, einzelne Dinge zu etwas zusammenzufügen -, die zu dem Aufblühen seiner sprachlichen, musikalischen und sonstigen künstlerischen Fähigkeiten beitragen. Ganz ähnlich müssen sich bestimmte Kompetenzen entwickelt haben, als unsere Vorfahren zu sprachbegabten, schöpferischen Wesen wurden, und wir werden sehen, welche Veränderungen des Gehirns diesem Prozess den Weg bereitet haben.
    Dieses Buch gründet sich sehr stark auf das, was Eltern von Kleinkindern tagtäglich sehen, hören und tun. Aus diesen Beobachtungen lässt sich vermuten, dass Säuglinge im Verlauf der außerordentlich spannenden Evolution unserer Art eine Schlüsselstellung gehabt haben müssen. Hätte Mutter Natur aufgrund der extremen Probleme bei der Geburt nicht die kleineren, weniger entwickelten Babys gegenüber den größeren bevorzugt, hätten unsere Vorfahren die Ammensprache nie erfunden. Und ohne Ammensprache wären unsere intellektuellen und künstlerischen Talente nie zu solcher Blüte gelangt. Wir hätten keine Computer,
kein Internet und keine Bücher, in denen wir über die Ursprünge unserer Art nachsinnen können. Ja wir hätten uns nicht zu dem entwickelt, was wir heute sind. Aber Mutter Natur hat, wie wir sehen werden, die Kleinen und Hilfloseren bevorzugt, und die Prüfungen, die diese zu bestehen hatten, haben ihre Interaktion mit ihren Müttern entscheidend beeinflusst. Der Rest ist, wie es so schön heißt, Frühgeschichte.

KAPITEL 3
    Macht der Reiter plumps
    Hoppe, hoppe, Reiter,
Wenn er fällt, dann schreit er.
Fällt er in den Graben,
Fressen ihn die Raben,
Fällt er in den Sumpf,
Dann macht der Reiter plumps.
Kinderreim
    Â 
    Â 
    Ein Schimpansenkind lernt die Licht- und Schattenseiten des Lebens zunächst festgekrallt im Bauchfell seiner Mutter und später von der erhöhten Warte ihres Rückens aus kennen. Anfangs hilft die Mutter dem Neugeborenen noch beim Festhalten, doch mit zwei Monaten ist der Säugling weit genug entwickelt, um sich ohne Hilfe an ihrer Unterseite
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