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Wie der Earl das Sandwich entdeckte (German Edition)

Wie der Earl das Sandwich entdeckte (German Edition)

Titel: Wie der Earl das Sandwich entdeckte (German Edition)
Autoren: Petra Foede
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Rossini
    Der italienische Komponist Gioachino Rossini (1792–1868), der mit siebzehn Jahren seine erste Oper schrieb und mit vierundzwanzig sein Meisterwerk Der Barbier von Sevilla , war zu seiner Zeit als Feinschmecker fast ebenso bekannt wie als Musiker. Er konnte es sich leisten, schon vor seinem vierzigsten Geburtstag seine berufliche Karriere zu beenden und sich anderen schönen Dingen des Lebens zuzuwenden, vor allem leiblichen Genüssen. Sein Leibgericht war Truthahn mit Trüffelfüllung. Von Rossini ist der Ausspruch überliefert: »Was die Liebe für die Seele ist, das ist der Appetit für den Leib. Der Magen ist der Kapellmeister, der das große Orchester unserer Leidenschaften dirigiert. Essen, Lieben, Singen, Verdauen sind die vier Akte der komischen Oper, die Leben heißt.«
    Es gibt zahlreiche Rezepte mit dem Zusatz »à la Rossini«, die alle Trüffel und Foie gras enthalten, aber am bekanntesten sind die Tournedos. Über die Umstände ihrer Erfindung kursieren etliche Geschichten, die alle in Paris spielen, wo der Komponist seit 1829 lebte. Am populärsten ist vielleicht die Version, wonach der Maestro sich das Gericht selbst ausgedacht hat und es für einige Gäste von seinem Koch direkt am Tisch zubereiten lassen wollte. Soviel Aufmerksamkeit war dem Mann jedoch unangenehm, der lieber in der Küche geblieben wäre, worauf Rossini gesagt haben soll: »Dann drehen Sie uns doch einfach den Rücken zu!« – auf Französisch »Tournez le dos!« Daraus soll der Begriff Tournedo entstanden sein. Eine andere Variante: Im Pariser Nobelrestaurant »Café Anglais«, wo Rossini Stammgast war, soll er den Küchenchef in dessen »Allerheiligstem« nicht nur gern persönlich begrüßt, sondern ihn auch mit Vorliebe bei der Zubereitung seiner Bestellung beobachtet haben. Das sei dem Koch eines Tages zuviel geworden und er habe den Musiker mit den Worten »Et alors, tournez le dos!« aus der Küche komplementiert. Allzu Ernst nehmen sollte man diese Anekdoten wohl nicht.
    Als Erfinder der Tournedos Rossini kommen theoretisch mehrere namhafte Köche seiner Zeit in Betracht, darunter Marie-Antoine Carême (1784–1833), mit dem Rossini befreundet war; allerdings enthält sein Buch L’Art de la cuisine française nur ein Rezept für eine Potage de purée de gibier à la Rossini , also für eine Suppe mit Wildeinlage. Rossini selbst hat das Gericht ganz sicher nicht erfunden, auch wenn er ein leidenschaftlicher Esser war; es sind wohl Einkaufszettel in seiner Handschrift überliefert, aber kein einziges Rezept. Die Tournedos à la Rossini sind zu seinen Lebzeiten außerdem nirgends nachweisbar, und das bedeutet: Sie wurden erst nach seinem Tod ihm zu Ehren so genannt. Im Grand Dictionnaire de cuisine des Feinschmeckers Alexandre Dumas tauchen sie 1873 als »Filets à la Rossini« auf, erst elf Jahre später erscheinen sie als Tournedos à la Rossini in der Zeitschrift L’Art culinaire . Auch der Begriff »Tournedos« geht nicht auf den Musiker oder sein Umfeld zurück, wie die kursierenden Anekdoten glauben machen wollen; auf den Speisekarten französischer Restaurants erschienen Mitte des 19. Jahrhunderts plötzlich diverse Filets mit dieser Bezeichnung, und schon damals wusste scheinbar niemand, was das eigentlich heißen sollte. Jedenfalls verbreitete der Journalist Hippolyte de Villemessant bereits 1873 das Gerücht, der Name sei im »Café de Paris« erfunden worden, weil ein Stammgast (in diesem Fall nicht Rossini) moniert habe, dass ständig an allen Tischen filet de boeuf bestellt und serviert werde – man solle sich gefälligst etwas Neues einfallen lassen!
    Da es den Begriff Tournedos nur im Plural gibt, selbst wenn nur ein Filet gemeint ist, ist davon auszugehen, dass er tatsächlich von tourner für »umdrehen« und dos für »Rücken« abgeleitet ist. Aber wer dreht da wem den Rücken zu und warum? Einige Sprachforscher glauben, die Tournedos seien ursprünglich keineswegs besonders gutes Fleisch gewesen. Wenn Fischhändler in bestimmten Markthallen nicht mehr ganz frische Ware hatten, bekamen sie nämlich von den Kontrolleuren Stände abseits vom Hauptgang zugewiesen, quasi in seinem Rücken; diese Praxis war in Frankreich bereits im 18. Jahrhundert üblich. »Ce poisson sera vendu à tourne-dos« (»Dieser Fisch wird a tourne-dos verkauft«) war eine feste Redewendung, die 1842 auch im Wörterbuch der Académie Française vorkam. Daraus wird nun gefolgert, der Begriff sei auf nicht mehr ganz frisches
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