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Wie ausgewechselt

Wie ausgewechselt

Titel: Wie ausgewechselt
Autoren: Rudi Assauer , Patrick Strasser
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Söldner, seiner Tochter Bettina Michel, seiner Schwester Karin Assauer sowie der Rechtsanwaltskanzlei Fiestelmann-Grall.
    Patrick Strasser, im Januar 2012

Vorwort von Huub Stevens
    Rudi Assauer ist ein richtig guter Sänger. Mein lieber Mann, das hat mich jedes Mal beeindruckt. Ob auf einer Party nach einem Titelgewinn mit Schalke oder auf einer Weihnachtsfeier – unser Manager war immer ganz vorne dabei, natürlich hatte er dabei stets eine Zigarre im Mundwinkel hängen. Jedes Vereinslied hat er lauthals mitgesungen, und er kannte alle Texte. Ob Blau und Weiß wie lieb ich dich oder Königsblauer S04 – da konnte ihm keiner was vormachen. Da war er mittendrin in seiner Familie Schalke, dort fühlte er sich geborgen. Das war sein Leben, seine Heimat. Rudi Assauer war Schalke 04.
    Als ich Rudi zuletzt nach längerer Zeit wieder einmal gesehen habe, bin ich erschrocken. Leider musste ich feststellen, dass er nun ein anderer Mensch ist. Gezeichnet durch seine Demenzerkrankung, hat er sich in kurzer Zeit sehr verändert.
    Nun ist er still und leise, hält sich zurück, hört in einem Gespräch meist nur zu. Fast so, als wäre er schüchtern. Es ist ein sehr merkwürdiges, beklemmendes Gefühl. Ich war einfach einen anderen Rudi gewohnt. Diesen Kerl von einem Mann! Immer geradeaus, direkt und, wenn nötig, lautstark. Klar, ehrlich und bestimmt. Oft mit einem Witz, einem Spruch auf den Lippen. Ein Macho – oder zumindest der Typ, zu dem ihn die Öffentlichkeit und die Medien gemacht haben. Dass er andererseits aber auch immer herzlich und hilfsbereit war und ist, dazu charmant und liebenswürdig – das haben die meisten ignoriert. Viele wollten das nicht wahrhaben, nur den Macho in ihm sehen, nicht aber den Menschen dahinter.
    Mich hat immer schon geärgert, wenn ich mitbekomme habe, dass die Leute, die Rudi nicht kennen, ihn etikettiert haben. Ohne nachzudenken oder nachzufragen, haben sie ihn in eine Schublade gesteckt: Assauer, der Macho! Oder wenn er früher mal ein Gläschen zu viel hatte, wurde er gleich in eine Ecke gestellt, als wäre er Alkoholiker. Heute tuscheln die Leute, wenn er sich etwas unsicher bewegt – aha, wieder was gebechert. Blödsinn. Seit mehr als einem Jahr trinkt er keinen Tropfen Alkohol mehr. Die Krankheit nimmt ihn mit, durch die Tabletten ist er geschwächt.
    Was waren wir früher für Fußballmalocher. Den ganzen Tag nur Fußball. Am liebsten 24 Stunden. Wir haben von Oktober 1996 an fast sechs Jahre Seite an Seite beim FC Schalke gearbeitet und mehr Zeit miteinander verbracht als mit unseren Familien. Es ist so schade, dass er sich an unsere gemeinsamen Zeiten, unsere Erfolge und unsere Niederlagen, unser Juchzen und unsere Tränen, nicht mehr richtig erinnern kann. Das tut mir alles sehr leid. Für ihn und für seine Familie.
    Durch so eine traurige Geschichte fängt man aber plötzlich mal wieder an nachzudenken – über sich, die eigene Gesundheit, die Angehörigen und Freunde, das Leben allgemein. Und ich merke: Plötzlich bin ich ganz nah bei mir. In dem Moment, in dem ich irgendwo einen Vertrag als Trainer unterschreibe, begebe ich mich in einen Tunnel. Man glaubt, für kaum etwas rechts und links davon Zeit zu haben.
    Früher musste ich alles selbst machen und anpacken. Jedes Spiel sehen, das im Fernsehen lief. Jetzt bin ich gelassener geworden, auch nicht mehr so knorrig. Ich kann besser abschalten, mir Auszeiten nehmen. Gerade auf Schalke hat man mit Trainer Ralf Rangnick ja gesehen, wie schnell es gehen kann. Es hat mir sehr leidgetan, als ich erfahren habe, dass er wegen Burn-out den Trainerjob aufgeben musste. Man weiß es zwar nie, aber ich glaube und hoffe, dass mir dies nicht passieren wird, weil ich mir mittlerweile meine Pausen nehme, um durchzuatmen. Ich fahre an freien Tagen zur Familie in die Niederlande und versuche, den Kopf frei zu bekommen und mich zu entspannen. Ich bin zwar wieder in diesem Tunnel – doch mittlerweile ist dieser für mich breiter geworden, heller. Und ich habe festgestellt, dass das allerhöchste Gut die Gesundheit ist.
    Denke ich heute an Rudi, kommen mir Gedanken, die man sonst nicht zulässt und ausblendet. Wie wird es mir später mal gehen? Was ist, wenn ich Alzheimer bekomme? Jeder hofft doch, ein normales Leben im Alter führen zu können. Und ich stelle mir die Frage: Wie würde ich damit umgehen?
    Ich finde, dass Rudi sehr gut damit umgeht. Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Wenn wir zusammensitzen und gemeinsam etwas essen, dann
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