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Wickelkontakt - Roman

Titel: Wickelkontakt - Roman
Autoren: Katri Dietz
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so lieb? Und warum war ich so bescheuert? Ich beklagte meine Situation, mein Leben und den Umstand, keinen Freund zu haben– und das lautstark.
    » Buhuhu, keiner versteht mich, ich bin so überarbeitet, ich bin noch gar nicht so lange in Hamburg, schnief, ich muss immer so früh aufstehen und schaffe das alles nicht… Was bist du eigentlich für ein Sternzeichen?«
    Ich kam mir vor wie in » Wie werde ich ihn los in zehn Minuten«. Aber er machte immer noch mit. Hörte sich alles an, streichelte mir über den Kopf und sagte genau das Richtige: » Das wird schon wieder, gib dir einfach mehr Zeit. Setz dich nicht so unter Druck! Ich bin übrigens Skorpion.« Lautes Schluchzen meinerseits.
    » Skorpion! Auch das noch! Warum lerne ich nur Skorpione kennen?« Mein letzter Skorpion hatte mir gerade erst das Herz gebrochen. Und auf einmal hatte ich Angst. Vor dem, was ich wollte und wahrscheinlich, bei meinem Glück, wieder nicht bekommen sollte.
    Neben uns hielt ein Taxi, und ich nutzte meine, wie mir schien, einzige Chance, uns aus dieser unsäglich erniedrigenden Situation zu befreien. Ich tat, was jede vernünftige Frau an meiner Stelle getan hätte.
    » Ich will jetzt nach Hause– kommst du mit?« Bevor er überhaupt seinen Mund aufmachen konnte, öffnete ich die hintere Tür des Wagens und schubste ihn vor mir her auf die Rückbank. Sein Zögern überging ich gekonnt. Kaum neben ihn geplumpst, fing ich schon wieder an, ihn zu beknutschen. Gab dem Taxifahrer noch meine Adresse und versank dann in Jonas’ Armen und in seinen Küssen. Vielleicht etwas aufdringlich von mir, gebe ich zu, aber ich hatte mich entschieden: Wenn ich ihn schon nicht haben konnte (er war ja Skorpion), dann wollte ich wenigstens die Nacht noch mit ihm verbringen.

3

    Maja ist nach ihrem morgendlichen Füttern wieder eingeschlafen, mein Herzblatt ist zum ersten Mal seit Majas Geburt bei der Arbeit, und ich versuche noch ein bisschen zu dösen. Drei Stunden Schlaf pro Nacht sind einfach eine Zumutung. Es ist morgens halb zehn in Deutschland. Leider kann ich nie länger als bis halb zehn Uhr schlafen, da wir eine sehr schwerhörige, sehr alte Nachbarin haben, die jeden Morgen um diese Zeit ihre noch viel schwerhörigere und noch viel ältere Mutter anruft. Da haben die Altbauwände sozusagen unfreiwillig Ohren. Warum mein Kind nichts davon mitbekommt, ist mir ein Rätsel. Ich dagegen höre mir jeden Morgen an, ob Frau Nachbarin gut geschlafen hat, wie ihre Verdauung war, und was es zum Mittagessen geben wird.
    Die Abläufe sind immer gleich. (SCHREI:) HALLO, MUTTI, ICH BIN’S!!! JAA, ICH HABE GUT GESCHLAFEN. UM VIER HATTE ICH DURCHFALL, WEIL ICH GESTERN DOCH ORANGEN GEGESSEN HABE!
    Aha, gut zu wissen. So erfahre ich aber auch immer schon früh, dass mal wieder Markt ist (ICH MACHE HEUTE SEELACHS, DEN HOLE ICH GLEICH VOM MARKT!) oder dass es geschneit hat, oder andere Service-News.
    Während ich mich also noch etwas rumräkele, klingelt auch schon das Telefon. Maja schläft noch friedlich. Natürlich, jetzt ist ja auch Tag.
    » Hallo?«, melde ich mich, mich verschlafener gebend, als ich eigentlich bin. Damit will ich dem Anrufer ein schlechtes Gewissen machen, sich um diese frühe Uhrzeit schon bei mir zu melden. Der Anrufer ist aber eine Anruferin, und eine besonders gewissenlose noch dazu. Eine gute Freundin meiner Mutter will sich nach meinem Befinden erkundigen.
    » Noch nicht wach? Ist doch schon halb zehn durch!«, empört sie sich auch gleich. » Und, wie läuft’s so?«, will sie wissen. » Schon ein eingespieltes Team?« Ich erzähle ihr, dass meine Tochter nachts nicht schlafen will, ich tagsüber aber nicht schlafen kann, dass sie manchmal keine Luft bekommt, weil sie so schlimmen Schnupfen hat, dass ich deswegen Alpträume habe und mich als schlechte Mutter fühle, und da ich ja auch nicht stillen kann, sowieso als totale Versagerin, und etliches mehr. Natürlich auch, dass mein lieber Mann sich anscheinend nicht besonders zum Vatersein berufen fühlt, und ich total enttäuscht von ihm bin.
    Dabei haben Elsbeth und ich gar keine besonders enge Bindung; das alles hätte ich auch jedem anderen erzählt, der angerufen hätte. Man muss sich ja mal Luft machen. Und da meine sozialen Kontakte zurzeit recht spärlich ausfallen, ergreife ich jede Gelegenheit beim Schopf, meinen Seelenmüll loszuwerden. Damit muss ich ja nicht unbedingt meine Freundinnen belästigen. Die sowieso alle keine Kinder haben und meine Sorgen über ausgelaufene
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