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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz
Autoren: Gregory Maguire
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stichelte ihr Mann. Er stand in der Tür und schaute über den See, die Felder, die bewaldeten Hänge dahinter. Er konnte ganz schwach die Schornsteine von Binsenrain erkennen, den Rauch der Frühstücksfeuer. »Am denkbar unpassendsten Zeitpunkt für meine Amtspflichten. Natürlich.«
    Die Frau gähnte. »Man hat dabei keine große Wahl, wie man so hört. Der Körper schwillt an und übernimmt das Kommando – wenn du dich nicht damit abfinden kannst, Schatz, dann meide ihn einfach. Er läuft jetzt auf seiner vorgegebenen Bahn und ist durch nichts mehr aufzuhalten.« Sie stemmte sich hoch und versuchte, über den Berg ihres Bauches zu blicken. »Ich komme mir vor wie die Geisel meines eigenen Körpers. Oder des Kindes.«
    Â»Ãœbe ein bisschen Selbstbeherrschung.« Er trat an ihre Seite und half ihr sich hinsetzen. »Betrachte es als eine geistliche Übung. Zügelung der Sinne. Leibliche wie moralische Enthaltsamkeit.«
    Â»Selbstbeherrschung?« Sie lachte, während sie sich an die Bettkante schob. »Ich habe kein Selbst mehr, das ich beherrschen könnte. Ich bin nur noch der Wirtskörper dieses Schmarotzers. Wo mag mein Selbst abgeblieben sein? Wo habe ich das müde alte Ding bloß liegenlassen?«
    Â»Denk auch mal an mich.« Sein Ton hatte sich geändert; er meinte es ernst.
    Â»Frex«, sie ging nicht auf ihn ein, »wenn der Vulkan soweit ist, kann kein Priester der Welt den Ausbruch wegbeten.«
    Â»Was werden meine Pfarrerskollegen denken?«
    Â»Sie werden sich zusammensetzen und sagen: ›Bruder Frexspar, hast du deiner Frau gestattet, dein erstes Kind zur Welt zu bringen, obwohl du in der Gemeinde ein Problem zu lösen hattest? Wie unbedacht von dir. Das beweist einen Mangel an Autorität. Du bist deines Amtes enthoben.‹« Das war scherzhaft gemeint, denn es gab niemanden, der ihn des Amtes entheben konnte. Der nächste Bischof war zu weit entfernt, um sich mit den Alltagssorgen eines unionistischen Provinzpfarrers abzugeben.
    Â»Der Zeitpunkt ist nur so ungelegen.«
    Â»Ich denke mal, was den Zeitpunkt anbelangt, trifft dich die halbe Schuld«, sagte sie. »Also wirklich, Frex.«
    Â»Das ist die landläufige Meinung, aber ich habe meine Zweifel.«  
    Â»Du hast deine Zweifel?« Sie lachte, den Kopf weit zurückgelegt. Die Linie von ihrem Ohr zu der Mulde am Halsansatz erinnerte Frex an einen eleganten silbernen Schöpflöffel. Selbst in morgendlicher Unordnung, mit einem Bauch wie eine Fregatte, war sie eine vornehme Schönheit. Ihre Haare hatten den gelackten Glanz nassen Eichenlaubs im Sonnenschein. Er machte ihr die privilegierte Herkunft zum Vorwurf und bewunderte ihre Anstrengungen, sie zu überwinden – und außerdem liebte er sie.
    Â»Heißt das, du hast deine Zweifel, ob du der Vater bist?« Sie packte den Bettkasten, und Frex ergriff ihren anderen Arm und zog sie ein Stück in die Höhe. »Oder stellst du die Vaterschaft von Männern im Allgemeinen in Frage?« Sie stellte sich hin, kolossal, eine wandelnde Insel. Während sie im Schneckentempo zur Tür hinaustappte, lachte sie über so eine Idee. Er hörte sie draußen auf dem Plumpsklo lachen, als er daranging, sich für den Kampf des Tages herzurichten.
    Frex kämmte sich den Bart und ölte sich die Haare. Damit sie ihm nicht ins Gesicht fielen, zog er sie im Nacken mit einer Klammer aus Knochen und Rohleder zusammen. Sein Mienenspiel musste heute von Weitem deutlich erkennbar sein: er durfte sich keine Missverständlichkeit erlauben. Er nahm etwas Kohlenstaub, um seine Augenbrauen zu schwärzen, einen Klecks rotes Wachs für seine hageren Wangen und bestrich sich die Lippen damit. Ein schmucker Priester zog mehr reuige Sünder an als einer, der unscheinbar daherkam.
    Melena schwebte gemächlich durch den Küchengarten, nicht mit der üblichen Schwere der Schwangerschaft, sondern wie aufgeblasen, ein großer Ballon, der seine Bänder durch den Schmutz schleifte. In der einen Hand hielt sie eine Pfanne und in der anderen ein paar Eier und dünne herbstliche Schnittlauchspitzen. Sie sang vor sich hin, aber nur in kurzen Phrasen. Frex sollte sie nicht hören.
    Nachdem er den strengen Talar bis zum Kragen fest zugeknöpft und die Sandalen über die Gamaschen geschnallt hatte, holte Frex den Bericht, den ihm sein Kollege aus dem Nachbardorf Drei
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