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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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brechen, bringe ich Sie mit Säure um oder schlage Ihnen den Kopf ab.«
    Seine Antwort war immer dieselbe: »Danke, gleichfalls, Sie Hexe.« Er begann, sich vor sich selbst zu ekeln. Er war auf Miriam hereinge- fallen, weil er einer von ihnen war. Während die Tage vergingen, bes- serte sich sein körperlicher Zustand zusehends. Er fing an, konkrete Pläne auszuarbeiten, wie er dieses verdammte Haus mitsamt seiner Bewohner in Schutt und Asche legen würde. Dazu musste er jedoch erst ihr Vertrauen gewinnen. Es würde nicht einfach sein, aber Miriam – die süße Miri – war ganz hin und weg von ihm. Das war seine große Chance.
    Deswegen fing er an, den schüchternen Verliebten zu spielen, wenn Miriam kam und sich zu ihm ans Bett setzte.

Miriam tanzte lachend und singend durch das Haus und tastete unun- terbrochen nach dem Baby in ihrem Bauch. Hüter-Schwangerschaften dauerten ein Jahr, und die Geburt war äußerst schwierig. Doch dem Baby ging es gut! »Kein Hinweis auf Komplikationen«, sagte Sarah im- mer wieder.
    Ob sich dies tatsächlich so verhielt, wusste Sarah nicht. Sie war sich nicht einmal sicher, ob Miriam wirklich schwanger war. Sie hatte einen Urintest durchgeführt, aber wer wollte schon wissen, ob der gonado- trope Hormongehalt im Körper eines schwangeren Hüters derselbe war wie bei einer menschlichen Frau. Wahrscheinlich nicht. Vielleicht produzierte ihr Gebärmuttergewebe ein völlig anderes Hormon. Es blieb in dem Haus eine unausgesprochene Tatsache, dass der Tag der ersten Ultraschallaufnahme näher kam. Erst dann würden sie es mit letzter Sicherheit wissen.
    Miriam sang ihrem Baby vor, sang für ihre Gäste, und als Paul be- gann, sie wieder anzulächeln, sang sie für die ganze Welt.
    Miriam war noch nie so glücklich gewesen. Im Haus lief alles bes- tens. Ihr Körper strahlte vor Gesundheit. Sie spürte, wie das Baby her- anwuchs. Und ihr neuer Mann kam allmählich zu Sinnen.
    »Weißt du, Paul, ich finde, du solltest die Sache von unserem morali- schen Standpunkt aus betrachten.«
    »Der da lautet?«
    »Wir haben uns nicht selbst erschaffen. Die Natur hat uns zu dem gemacht, was wir sind.«
    »Das sagt die CIA auch.«
    Dies war interessant für sie. Bisher hatte er noch nie darüber gespro- chen, wie seine Arbeitgeber über sie dachten. »Tatsächlich?« »Ja. Sie sagen, dass ihr keine Mörder seid, sondern Jäger. Ihr habt das Recht, uns zu töten, und wir haben das Recht, uns zu verteidigen. Das ist die Basis einer politischen Grundsatzentscheidung, an der sie arbeiten.«
    »Nun, das ist genau mein Punkt.« Sie hätte ihn zu gerne geküsst, so gut sah er aus. Doch bisher war er dazu noch nicht wieder gewillt. Morgen würde sie ihm eine Überraschung bereiten. Seine Leidens- zeit im Krankenzimmer war vorüber. Sie hoffte, dass er in ihr Bett zu- rückkehren würde. Sie würde sich liebevoller und verführerischer denn je geben.
    Sie nahm Sarah zur Seite und sagte: »Es ist an der Zeit, ihm die

Fesseln abzunehmen.«
    »Das sehe ich anders.«
    »Tu es.«
    »Miri, das ist verrückt!«
    »Tu es.«
    Sie ging zu ihm. Sie verriegelte die Tür hinter sich, dann holte sie den Schlüssel heraus.
    »Oh«, sagte er.
    Sie spürte, dass er sie beobachtete, während sie erst die Ketten an seinen Füßen, dann die an seinen Handgelenken aufschloss. Sie mochte seine Augen nicht, hatte sie von Anfang an nicht gemocht. »Gut«, sagte er, während er sich die Handgelenke rieb, »das fühlt sich schon viel besser an.«
    Sie wich vor ihm zurück wie vor einer züngelnden Cobra.
    Er lächelte.
    Miriam hatte sie zu dem gemacht, was sie heute war. Deswegen war sie schwach und verletzlich, ein Opfer ihres unvollkommenen mensch- lichen Erbes. Er dagegen war von der Natur erschaffen worden, und der Natur wohnte etwas inne, dem sie nicht traute. Vielleicht lag dies an einer Erkenntnis, zu der sie bei ihren Forschungen gelangt war: Die Natur ging nicht unüberlegt vor. Ihre Wildheit und Grausamkeit war das Resultat gedankenvoller Planung.
    Deswegen würde sie ihn immer fürchten und hassen, ganz gleich, wie brav und verständig er sich geben mochte. Sie kannte ein Geheim- nis der Natur und spürte, dass Paul Ward ein Produkt dieses Geheim- nisses war. Die Natur besaß, wie sie wusste, einen gleichermaßen großartigen wie grausamen Geist.

20
    Kind der Liebe
    Der Vampir war völlig von ihm eingenommen, also würde er dies aus- nutzen. Mit jeder verstrichenen Stunde kam er dem Augenblick näher, in dem er sie alle
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