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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling
Autoren: Robert Stallman
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Bemühen, sich mir zu entwinden.
    »Braver Biff«, sage ich, während ich ihn beim Kragen gepackt halte, ohne ihn allzu sehr zu würgen. »Spielen wir ein bißchen?«
    Ich wälze mich auf den Rücken und halte ihn mit allen vier Pfoten gerade so fest, daß er mir nicht entkommen kann. Kaum laß ich seine Kehle los, fängt er an zu quietschen. Ich hab’ nie zuvor einen Hund quietschen gehört. Es ist ein interessantes Geräusch. Mit dem Rücken zur Mauer des Milchhauses stell ich ihn auf die Füße. Er steht ganz zusammengekrümmt da, ein buckliger Hund. Sehr komisch. Ich heb die Pfote, um ihm den Kopf zu tätscheln, und er klappt zusammen, als hätte ich ihn geschlagen. Ich geh vorn in die Knie, streck den Hintern in die Luft wie ein Hund, der spielen will. Er bleibt zusammengekauert liegen und starrt mich nur an. Ich spring auf und hüpf um ihn herum wie ein geisteskrankes Riesenkarnickel. Er rollt die Augen und macht ein Gesicht, als wollte er am liebsten in die Betonmauer reinkriechen.
    Dann sickert es mir langsam durch mein benebeltes Hirn. Ich möchte wirklich mit ihm spielen, mit einem anderen Geschöpf auf dem Boden herumrollen, ein bißchen schnappen und schlagen, nur so zum Spaß. Ob ich mich wohl in einen Hund verwandeln könnte? Der Gedanke bringt mich etwas durcheinander. Ich lache leise. Biff stöhnt. Die beiden Hunde spielen immer miteinander, rasen wie verrückt im Kreis herum, wälzen sich im Gras, jagen draußen auf der hinteren Weide Humphrey, den Stier, oder zischen zu zweit einem Kaninchen hinterher.
    Ich laß mich auf alle viere nieder. »Jetzt paß auf, Biff«, sage ich übermütig. Ich konzentriere mich, soweit das Bier das zuläßt, auf Josie. Josie, denke ich und versuche, mein ganzes Selbst zu einem Punkt zusammenzuziehen. Josie! Es passiert tatsächlich etwas. Biff zuckt zurück und schlägt mit dem Kopf an die Mauer. Ich bin beinahe Josie, aber mein Kopf und meine Vorderpfoten sind noch ich. Muß ja schauderhaft aussehen. Ich versuch es noch einmal. Ich konzentriere mich. Dann die Verwandlung. Diesmal hab’ ich’s. Ich blick über meine Schulter nach rückwärts; Hund von den Ohren bis zum schwarz gesprenkelten Schwanz. Ich wedle mit dem Schwanz. Biff ist außer sich vor Angst, starrt mit wilden Augen auf meine Füße. Ach, Mist! Ich bin eine große Ausgabe von Josie, aber meine Beine sind die von Robert, auch die rosigen Zehen fehlen nicht. Als ich die Augen schließe, um mich noch einmal zu konzentrieren, wagt Biff die Flucht und prescht zum Maissilo, wo er ein Versteck hat. Ich folge ihm langsam, nehme wieder meine eigene Gestalt an und spähe hinunter zu dem sabbernden, zitternden Hund, der unter dem Bau kauert.
    »Warte doch mal einen Moment«, sag ich zu Biff. »Ich tu das doch nur, damit wir ein bißchen Spaß miteinander haben können.«
    Es wird merklich schwieriger, ein Bild festzuhalten. Soviel Konzentration kann ich meinem geschwächten Geist kaum abverlangen. Noch eine Verwandlung gelingt mir. Nein. Wieder falsch. Ich höre, wie Biff noch tiefer unter den Silo kriecht, wobei er sich Kopf und Läufe an den Bodenbalken anstößt. Ich bin an einem Ende Hund, am anderen gar nichts. Ich sehe aus wie eine gräßliche Raupe mit Hundegesicht. Unter dem Silo beginnt Biff zu heulen, als wäre er dem Tode nahe. Vielleicht kann ich überhaupt kein Hund werden. Es ist so ähnlich, wie wenn man einen Ballon zusammendrückt. Ein Teil nimmt zwar die richtige Form an, der andere Teil aber macht sich gewissermaßen selbständig. Ich laß es also bleiben und nehme wieder meine natürliche Gestalt an.
    »Kiwitt?«
    Blöde neunmalkluge Eule. Ich fange ihre Schwingungen vom untersten Ast des Walnußbaums neben dem Gartenzaun auf. Ich schleiche mich in den Schatten des Zauns, gleite unter ihm hindurch, während die Eule den Kopf dreht und wieder fragt: »Kiwitt?« Da springe ich.
    »Jetzt hab’ ich dich!« Ich schlage meine Zähne so schnell in den Vogel hinein, daß er nicht mal mehr mit den Augen zwinkern kann. Ich bemerke nicht, daß die Tür auf der Veranda sich einen Spalt öffnet. Die Eule schmeckt nach Maus, und ich spucke sie aus, um meine Schnauze im Gras zu reiben. Donner kracht von der Veranda her, und unmittelbar über meinem Kopf spritzt Baumrinde auseinander.
    Eine Flinte!
    Tief geduckt und so nüchtern wie ein Wiesel im Hühnerhaus husche ich den Zaun entlang und die Böschung zum Bach hinunter. Verdammt! Immer wenn ich einen Vogel fresse, überrascht mich dieser Bauer. Ich hebe
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