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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: Adalbert Stifter
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Tante, welche bisher an dem einen Tage ein schwarzes, an dem andern ein aschgraues Seidenkleid getragen hatte, ging nun fortwährend in einem schwarzen. Gerlint und Auguste konnten die verschiedenen Festkleider, welche die Besuche geboten hatten, in die Laden legen, oder von den Schäden, die ihnen etwa verursacht worden waren, heilen lassen. Der Oheim packte manches aus seiner Wohnung ein, und fuhr eines Tages mit seinen Schimmeln nach Weiden. Gerlint begann ihre Wohnung, wie sie es in ihrem Sinne meinte, zu ordnen. Es stand ein sehr kostbarer Flügel in ihrem Empfangszimmer, und obwohl das Spiel auf dem Flügel zu den Unterrichtsgegenständen der Anstalt, in welcher Gerlint gewesen war, gehört hatte, und obwohl die Briefe der Vorsteherin vielfach nach Biberau gemeldet hatten, daß Gerlint darin hervorrage, sperrte sie doch mit dem Schlüssel den Flügel zu, und bat die Tante, daß sie nicht zürne, wenn sie selber auf dem Flügel nicht spiele, und auch nicht gestatte, daß es sonst jemand tue.
    »Ich habe dir gesagt,« erwiderte die Tante, »daß du in deiner Wohnung die Herrin bist, und tun kannst, wie es deine Einsicht gebietet.«
    »Und ich habe geantwortet,« sagte Gerlint, »daß ich nicht die letzte sein werde, den Wett des Stammes zu wahren.« »So sind wir einig«, entgegnete die Tante.
    In den Zimmern Gerlints waren auf Tischen vor Spiegeln oder auf andern Platzen allerlei kleine Dinge von Porzellan, oder Glas, oder Holz, oder Metall, und darunter menschliche Gestalten in verschiedener Weise. Alle diese Dinge stellte Gerlint der Tante wieder zur Verfügung, und die Tische und die Plätze, auf denen sie gewesen waren, blieben leer.
    Dann entfernte sie alle Bilder und Kupferstiche von den Wänden, und ließ die Wände leer. Von ihrem Bette ließ sie die Vorhänge wegnehmen und das Bett so stellen, daß sie beim Erwachen durch die großen Fenster in den Himmel sehen konnte. Die Spiegel wurden alle bis auf einen, der zum Ankleiden dienen sollte, aus der Wohnung entfernt. An den Fenstern legte sie die Stoffe, die zu Vorhängen dienten, in Falten, wie sie ihr gefielen, befestigte die Stoffe an den Seiten der Fenster, und ließ sie nicht zuziehen. In das Wohnzimmer und in das Empfangszimmer wurden Gewächse gestellt. An dem Haupte ihres Bettes standen zu beiden Seiten Bücherschreine, und in der Nähe des Fensters des Schlafgemaches stand ein großer Schreibtisch. Von Gerätschaften zu weiblichen Arbeiten, Stickrahmen oder dergleichen, war nichts zu erblicken, auch konnte man keine Vorrichtungen für Musik oder irgend eine andere Kunst entdecken. Die Geräte, mit denen die Tante die Zimmer hatte versehen lassen, stellte sie, wie es ihr passend schien, und gab auch einiges, was ihr überflüssig deuchte, der Tante zurück. Hierauf entwarf sie mit der Hilfe Augustens Zeichnungen zu verschiedengestaltigen Tongefäßen, die als Untersätze für die Gewächse ihrer Zimmer dienen sollten, und die sie wollte verfertigen lassen. Ingleichen wurden auch Zeichnungen zu Gewächsgestellen gemacht.
    Als alles dieses geschehen war, wurde die Tante davon verständigt und um ihre Billigung gefragt.
    Die Tante antwortete: »Unsere Vorfahrer sind ihre eigene Wege gegangen; aber jeder den rechten. Darum wurde nie einer von einem andern getadelt, und darum hat auch meine ganze Billigung, was du getan hast.«
    Als die Wohnung vorläufig so geordnet war, begann das gewöhnliche Leben.
    Die Tante, Gerlint, Auguste und Agathe fuhren in einem geräumigen Wagen durch die Besitzung. Adam fuhr in einem leichten Wägelchen hinterdrein. Die Tante besah die Zustände, zeigte dieselben Gerlint und Auguste, besprach sich mit ihnen und mit Adam, und ordnete an. So lernte Gerlint nach und nach die Bestandteile ihrer Besitzung und die Zweige ihrer Verwaltung kennen. Sie kam bei diesen Gelegenheiten mit den Leuten zusammen, die in der Besitzung arbeiteten.
    In den Garten und in die nächste Umgebung des Schlosses ging man zu Fuße.
    Wie die Tagesordnung und die sonstige Ordnung in dem Schlosse sei, lernte Gerlint schon nach einer kurzen Zahl von Tagen kennen. Denn die Tante hatte hierin nicht nur eine sehr große Einfachheit, sondern auch eine sehr große Pünktlichkeit.
    Um fünf Uhr des Morgens verließ Gerlint ihr Bett. Sie brachte die Stunde bis sechs Uhr an ihrem Schreibtische zu. Dann ging sie zu Auguste, oder Auguste kam zu ihr, und sie lasen aus irgend einem Buche bis sieben Uhr. Um sieben Uhr tönte das Zeichen zu dem Frühmahle. Gerlint
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