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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind
Autoren: S Friedrich
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Arvid, verblüfft über ihre plötzliche Leidenschaftlichkeit. »Ich glaube es ganz wirklich und ehrlich.«
    »Dafür liebe ich Sie«, sagt Mildred. »Wirklich, das tue ich. Ich liebe Sie.«
    »Sie lieben mich?«, sagt Arvid.
    Am nächsten Tag fahren sie mit dem Boot auf den See.
    Es ist früh am Morgen. Es ist warm. Wunderbarerweise fällt ein leichter Regen aus einem fast wolkenlosen Himmel. Das Kanu gleitet hinaus auf den Lake Mendota. Mildred hat einTuch umgebunden, gegen die Feuchtigkeit. Sie lachen. Dann sind sie still. Sie genießen die Einsamkeit auf dem Wasser, die Ruhe. Als sie das Ufer am Picnic Point erreichen, hört der Regen auf. Sie ziehen das Boot über die Kiesel an den Strand. Sie haben Sandwiches dabei, Kaffee, die Sonne kommt heraus und trocknet die Kiesel.
    »Haben Sie Hunger?«
    »Noch nicht.«
    Sie sitzen am Strand und blicken über das Wasser. Der Himmel ist jetzt ganz klar, ein glänzender Morgenhimmel. Das Wasser am Ufer schmatzt friedlich wie ein Baby. Sie sprechen über Arvids neuesten Fund: New Harmony, eine kleine Siedlung in Indiana, die 1814 von dem deutschen Radikalpietisten Johann Georg Rapp gegründet worden ist. Rapp und seine Anhänger suchten nach einer neuen Form des Gemeinschaftslebens, basierend auf den Prinzipien eines wahren Christentums außerhalb der Kirche. Sie versuchten das Reich Gottes vorauszunehmen: das Reich brüderlich-sozialer Versöhnung und vorbehaltloser Liebe, wie es für das Ende der Zeit nach Armageddon verheißen ist. Sie hielten sich zehn Jahre, dann waren sie am Ende. Sie verkauften ihre Siedlung an Robert Owen. Auch Owen ging es um eine Erneuerung des Gemeinschaftslebens. Aber er wollte bei den Arbeitsund Produktionsbedingungen anfangen. Außerdem hielt er es für unabdingbar, die Menschen von klein auf zur Vernunft zu erziehen. Er begann mit seinem Sohn, Robert Dale Owen.
    »Und der hat seine Ideen fortgeführt«, sagt Arvid. »Er hat eine Gefährtin gehabt, Frances Wright. Eine schottische Frauenrechtlerin. Sie haben gemeinsam in der New Yorker Arbeiterpartei gekämpft, für Owens Erziehungsideale und für die Freiheit der Frau.«
    Sie sehen einander an.
    »Es ist ein langer Kampf, nicht wahr?«, sagt Mildred. »Aber es ist ein Kampf, der sich lohnt. Ich glaube, dass die Menschen sich fortentwickeln. Es geht nur allmählich, und es gibt Rückschritte. Aber man darf nicht aufgeben. Ich glaube, es ist so, wie Emerson und die Transzendentalisten sagen: Der Geist des Menschen kann alles schaffen. Der Mensch ist fähig, immer neues Licht und neue Kraft in sich aufzunehmen. Und dieses Licht, diese Liebe werden die Welt immer mehr erfüllen und erleuchten, in jedem Bereich. Recht, Wirtschaft, Schulen, Landwirtschaft, Naturwissenschaft, alles wird sich immer mehr zum Besseren wandeln.«
    »Das haben Sie schön gesagt«, sagt Arvid. »Ich finde es sehr schön, dass Sie sagen, es sei die Liebe, die die Welt wandeln wird. Aber vielleicht ist es doch eher die Vernunft? Die klare Erkenntnis des wünschenswerten Zustands. Wie sollte die Welt beschaffen sein? Das ist ja die größte aller Fragen. Es ist die Frage nach der Aufgabe der Menschheit.«
    »Aber diese Frage kann man nur mit Liebe beantworten«, sagt Mildred. »Einander zu lieben, einander liebevoll zu begegnen ist doch das Vernünftigste, was man tun kann, und auf diesem Prinzip muss alles aufbauen. Nur so können wir herausfinden, wie wir der Menschheit bei ihrem Aufstieg helfen können.«
    Arvid betrachtet sie begeistert.
    »Wir haben uns dieselbe Aufgabe gestellt«, sagt er. »Und wir stehen nicht allein. Durch alle Zeiten hindurch haben die Menschen versucht, gerechter miteinander umzugehen. Immer haben sie versucht, neue wirtschaftliche und politische Modelle zu entwickeln, neue Formen des Zusammenlebens, und sie tun es auch jetzt. Sie tun es hier. In Deutschland. In Russland. Überall suchen die Menschen nach neuen Wegen.«
    »Die Jungen suchen jedenfalls«, sagt Mildred. »Junge Menschen auf der ganzen Welt, über alle Grenzen hinweg.«
    »Ja. Das glaube ich auch. Ich glaube auch, dass wir uns am Beginn einer neuen, besseren Zeit befinden.«
    I announce justice triumphant;
    I announce uncompromising liberty and equality;
    I announce the justification of candor, and the justification of pride;
    I announce a life that shall be copious, vehement, spiritual, bold;
    Himmel und Wasser sind im Morgenlicht von irisierendem Perlmutt, wie das Innere einer Seemuschel. Ein sanfter Wind weht. Mildred ist
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