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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät
Autoren: Nele Neuhaus
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anzutun«, entgegnete Pia. »Sie war wütend und gekränkt, weil er sie am Abend bei der Vorstandssitzung in der Krone so beschimpft hatte, und wollte, dass er sich bei ihr entschuldigte.«
    Â»Ja, das stimmt«, bestätigte Bodensteins Vater kopfnickend. »Ludwig ist an dem Abend leider sehr ausfällig geworden. Er hatte völlig die Beherrschung verloren.«
    Â»Nun ja«, fuhr Pia fort, »ein Wort ergab wohl das andere, Hirtreiter beschimpfte sie wieder und behandelte sie wohl ziemlich abfällig. Und dann sagte er ihr, er hätte gerade eben von Ralph Glöckner erfahren, dass sie heimlich mit Theissen unter einer Decke stecken und die Arbeit der Bürgerinitiative sabotieren würde.«
    Der alte Graf blieb stehen und sah Pia mit gefurchter Stirn an.
    Â»Ricky«, murmelte er. »Das hat Kerstin also gemeint.«
    Â»Wer hat was gemeint?«, fragte Pia.
    Â»An dem Abend in der Halle«, erinnerte sich Heinrich von Bodenstein. »Da hatte mir Kerstin unbedingt etwas über Ricky sagen wollen. Sie lag auf einer Trage und die Sanitäter brachten sie gerade in den Krankenwagen, deshalb konnte sie nicht fertig erzählen, was sie beobachtet hatte.«
    Â»Ricky hat das Chaos ausgenutzt und die Unterschriftenlisten verschwinden lassen. Das hat sie gestanden.«
    Â»Aber warum? Sie hat doch so viel für die Bürgerinitiative gemacht!«
    Â»Theissen hatte ihr 500 000 Euro geboten, falls es ihr gelingen sollte, die Bürgerinitiative aufs Abstellgleis zu manövrieren. Sie wollte nach Amerika, ein neues Leben anfangen.« Pia zuckte die Schultern.
    Â»Geld.« Bodensteins Vater seufzte. »Es ist doch immer dasselbe.«
    Auf dem Weg zum Schloss erzählte Pia ihm den Rest der schrecklichen Geschichte.
    Bei Frau Franzen waren die Sicherungen durchgebrannt, als sie begriffen hatte, dass Ludwig Hirtreiter sie vollkommen in der Hand hatte. Sie hatte dem alten Mann, der durch seinen Alkoholgenuss nicht mehr besonders sicher auf den Beinen gewesen war, einen Stoß versetzt. Beim Stolpern hatte er das Gewehr fallen lassen, Ricky hatte es aufgehoben und verzweifelt versucht, ihn mit vorgehaltener Waffe zu dem Versprechen zu zwingen, Stillschweigen zu bewahren, aber natürlich hatte das nicht funktioniert. Hirtreiter hatte sie ausgelacht und verhöhnt. Daraufhin hatte sie ihm in den Unterleib geschossen und danach ins Gesicht. Außer sich vor Wut über den Alten, über sich selbst und die ganze Situation, die ihr vollkommen entglitten war, hatte sie den Toten anschließend noch mit dem Gewehrkolben und Tritten traktiert, bis sie wieder zu sich gekommen war.
    Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her, sie passierten das große Tor, ihre Schuhe knirschten auf dem Kies der Auffahrt.
    Â»Und Tell? Warum hat sie den Hund erschossen?«, fragte Graf Bodenstein mit belegter Stimme.
    Â»Angeblich hat er sie angegriffen«, erwiderte Pia. »Er wollte sein Herrchen verteidigen.«
    Â»Wie sinnlos, das alles«, sagte der Graf traurig.
    Â»Opa!«, ertönte plötzlich ein helles Stimmchen. »Opa! Wo ist dein Traktor?«
    Heinrich von Bodensteins Miene hellte sich auf, als er das kleine Mädchen erblickte, das die Stufen des Schlosses hinuntersprang und mit wehendem Haar und leuchtenden Augen auf ihn zugelaufen kam.
    Â»Die ist nach meinem Geschmack geraten«, sagte er zu Pia und zwinkerte ihr zu. »Sitzt am liebsten auf dem Traktor oder auf einem Pferd.«
    Er breitete die Arme aus und fing Sophia auf.
    Â»Na komm«, sagte er. »Dann gehen wir zwei mal Traktor fahren. Deine Mama kommt ja auch gleich.«
    Pia blickte den beiden lächelnd nach, dann wandte sie sich um.
    Bodenstein stand oben auf der Treppe. Schlecht sah er aus. In sein dunkles Haar mischten sich graue Strähnen, die sie vorher nie bemerkt hatte. Ein bläulicher Bartschatten spross um sein Kinn, er trug keine Krawatte. Die Geschichte mit Annika Sommerfeld hatte ihm schwer zugesetzt. Bisher hatte sie sich nicht getraut, ihn auf dieses sensible Thema anzusprechen, aber sie hatte mitbekommen, dass man mittlerweile das Auto von Bodensteins Bruder auf einem Parkplatz am Münchener Flughafen gefunden hatte. Von Annika Sommerfeld fehlte allerdings jede Spur.
    Â»Hey«, sagte sie zu ihrem Chef. »Hast du einen Augenblick Zeit? Ich brauche noch ein paar Unterschriften von dir.«
    Â»Ja klar.« Er nickte. »Lass uns auf die Terrasse gehen.«
    Sie
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