Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ist, Rainu … man muß hindurch. Das habe ich von meinem Vater gelernt. Wer sich verkriecht, wird immer ein Wurm bleiben.« Er kletterte über Kanister und Kartons zum Bug des Bootes und setzte sich neben sie. Sie bewegte sich nicht, als er sie umarmte. Nur ihre Augen lebten. »Warum hast du kein Vertrauen zu mir?« fragte er.
    »Ich gehöre nicht in diese andere Welt. Ich habe Angst um dich, Paulo.« Sie sah ihn von der Seite an, ohne den Kopf zu bewegen. »Du bist reich?«
    »Woher weißt du das?« Bäcker war betroffen. Er kam sich ertappt vor und suchte nach einer Rechtfertigung, wenn sie weiterfragen würde. »Wer hat dir das gesagt? Brissier?«
    »Nein.« Ihr schmales Gesicht blieb starr. »Wir Menschen ›von den Inseln‹ haben gute Ohren. Wir hören den Gesang der Muscheln …«
    »Ja, ich bin reich.« Bäcker starrte hinüber zu den beiden Inseln im Morgendunst. Das vom Seebeben und Taifun zerstörte Viktoria-Eiland wirkte jetzt bizarr, aufgerissen wie eine getötete Auster. Dort bin ich aufgewachsen und war glücklich, dachte Bäcker. Und mein Vater hat mir nie gesagt, was Reichtum ist und was in Hiva Oa und Papeete auf den Banken liegt. Sicherlich hätte er es später gesagt, aber erst sollte ich so vollkommen in unsere kleine Welt hineinwachsen, daß mir Reichtum nicht mehr bedeutete wie eine Ansammlung von Palmen. Das war ein Fehler, und er hat ihn zu spät eingesehen. Ich bin anders geworden, als er wollte. Als er den Fehler bereinigen wollte, mußte er dafür sterben. Eine furchtbare Buße für einen Irrtum, der nichts weiter war als übergroße väterliche Liebe.
    Bäcker senkte den Kopf. Ich werde jetzt so handeln wie du, Vater, dachte er. Alles kehrt ja in mir wieder: Ich habe eine Frau, ich werde ein Kind haben. Aber ich habe mehr Zeit als du, Vater, um meine Welt aufzubauen.
    »Du willst den Reichtum abholen?« fragte Rainu. Er schrak zusammen. Ihre Stimme riß ihn plötzlich in die Gegenwart zurück.
    »Ich will ihn nur sehen, Rainu«, sagte er. »Das Geld gehört unserem Kind.«
    »Es braucht kein Geld. Es hat die Insel. Es wird unter Palmen laufen lernen, im Sand mit Muscheln spielen und die Vögel zu Freunden haben …«
    »Ob das genügt, Rainu?« Er strich das wehende Haar aus ihrem Gesicht und küßte sie. Ihre Lippen waren kalt und leblos starr. »Ich war der erste, der ausbrechen wollte, und sofort hat es eine Katastrophe gegeben. Niemand weiß, was in zehn oder zwanzig Jahren ist. Das Leben unserer Kinder soll sicher sein.«
    »Sie werden nichts anderes lieben als ihre Insel.«
    »Weißt du das so genau? Mein Vater sagte einmal: Das Rätselhafte im Menschen ist, daß er ein Mensch ist. – Ich habe das damals nicht begriffen – jetzt verstehe ich ihn. Ich will, soweit mir das möglich ist, meine Irrtümer besiegen, bevor sie unabänderliche Irrtümer geworden sind …«
    Er kletterte zurück zum Motor und gab Vollgas. Das Boot begann zu schweben, schoß über die Wellen hinweg, es war ein herrliches Boot, es eroberte den Pazifik, und das Meer schien zu spüren, daß es keine Chance hatte: trotz des Windes blieb es sanft und glatt.
    Sie fuhren den ganzen Tag und richteten sich nach dem Handkompaß, den Brissier mit dem Boot geliefert hatte. Um Vahua Oa, Rainus Heimatinsel, machten sie einen weiten Bogen. Nur einmal drosselte Bäcker den Motor wieder und starrte hinüber zu dem flachen, dunklen Landstreifen am Horizont. Er stand hochaufgerichtet im Boot, legte beide Hände über die Augen und biß die Zähne so fest aufeinander, daß seine Backenknochen hart durch die Haut stachen.
    »Vahua Oa?« fragte Rainu leise.
    »Ja. Dort haben sie meinen Vater umgebracht.«
    »Ich war dabei.« Rainu sagte es, wie man ein Märchen erzählt. »Alle Boote waren auf dem Meer. Wir haben in die Hände geklatscht, als man ihn zwischen die Haie warf. Ich auch …«
    Paul Bäcker zog die Schultern hoch. Er wandte sich ab, setzte sich wieder an den Motor und gab Gas.
    »Es ist vorbei, Rainu«, sagte er heiser. »Sprich nicht mehr davon. Mein Gott – ich liebe dich, ich liebe dich. Das allein ist nur noch wichtig …«
    Auch während der Nacht fuhr er weiter. Rainu preßte sich flach auf den Bootsboden, das Gesicht nach unten. Sie wagte nicht, sich zu rühren, den Kopf zu heben oder Paul beim Einfüllen neuen Benzins zu helfen. Die Nacht gehörte den Geistern. Es war ein Frevel, sie zu stören.
    Zitternd lag sie im Boot, lauschte auf das Rauschen des Meeres, das Tuckern des Motors, das Singen des Windes
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher