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Wer schön sein will, muss sterben

Wer schön sein will, muss sterben

Titel: Wer schön sein will, muss sterben
Autoren: Michele Jaffe
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aber der Tag heute war klar und schön, so strahlend, dass die weißen Verzierungen auf der Backsteinfront des Hauptgebäudes schimmerten. Die große Ulme über uns bewegte sich leicht im Wind, die Blätter in saftigem Frühlingsgrün, deren Schatten um uns herum tanzten. Es war ein Tag, ein Augenblick, in dem alles möglich war.
    Die Zwölftklässler hatten vor, das lange Wochenende noch zu verlängern und den Freitag blauzumachen, und selbstverständlich würden wir Elftklässler uns solidarisch verhalten. Also war jeder, der was auf sich hielt, an diesem Abend auf dem Weg zu Jocelyn Gunters Party in Deal, am Strand von Jersey.
    Die Sonne betonte die goldenen Strähnen in Davids braun gelockten Haaren, die sein Gesicht einrahmten und ihn wie eine Mischung aus Jesus und Jim Morrison aussehen ließen, ein Vergleich, der ihm gefallen würde, das weiß ich.
    David nahm mein Kinn in die Hand, hob es an und blickte mir über den Rand seiner Brille in die Augen. »Hey, wo bist du, Süße?«
    »Genau hier«, sagte ich und streifte ihn leicht mit meiner Hüfte.
    Aber die Wahrheit war, dass ich nicht zugehört hatte. Nicht weil ich ausweichen wollte, wie meine Mutter sagen würde. Nein, ich dachte daran, wie ich dieses Bild einfangen würde, wie es durch meine Kameralinse aussehen würde, und wünschte fast, David hätte seine Tasche nicht abgestellt, denn die schräge Schulterhaltung hätte das Bild interessanter gemacht. Ich bin Fotografin – ich kann nicht verhindern, dass meine Gedanken darum kreisen, wie die Dinge von außen aussehen.
    Außerdem, wenn ich hätte ausweichen wollen, hätte ich dann extra ein besonderes Abendessen organisiert, um darüber zu reden?
    »Es wird höchste Zeit, dass wir auf unseren Campingtrip gehen, Babe«, sagte er mit einem trägen Lächeln. Ich sah mein Spiegelbild in seinen Brillengläsern, ein verzerrtes, verschwommenes Bild. »Nur du und ich und die Natur. Keine anderen Leute, keine Ablenkung, keine …«
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Lippen. Er fasste es als Zustimmung auf, nicht als Wunsch, das Thema zu wechseln. »Behalte den Gedanken bis heute Abend«, sagte ich.
    Er seufzte und strich mir eine lose Haarsträhne hinter mein rechtes Ohr. »Du kleine Verführerin. Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch beherrschen kann, wenn du in der Nähe bist. Ich geh jetzt wohl besser mal.«
    Er lachte, grinste mich albern an, sagte »Bleib locker« (seine Art, sich zu verabschieden) und ging.
    Ich mochte die Art, wie er sich bewegte, ruhig und entspannt, seine Finger trommelten auf sein Bein. Er begrüßte Dom, den Gitarristen der Band, mit Highfive und legte den Arm um Chelsea, ihre Leadsängerin. Ich wäre vielleicht ein bisschen eifersüchtig gewesen, wenn er sich nicht in dem Moment umgedreht, mir über ihre Schulter ein Lächeln zugeworfen und ein Peace-Zeichen gemacht hätte.
    Gott, hatte ich Glück.
    Er verschwand in der Menge. Ich drehte mich um und entdeckte Langley und Kate in Langleys fünfeinhalb Monate jungem roten BMW -Cabrio. Ich wollte gerade hinübergehen, als ich Ollie bemerkte, der an der Beifahrertür lehnte. Vielleicht sollte ich doch noch schnell ein paar Fotos von der Fassade der Schule machen, dachte ich. Das Licht war wirklich perfekt, und es würde kaum jemals …
    »Jelly Bean«, sagte Langley, als ich nach meiner Kamera griff. Sie winkte mir zu. »Los, komm, wir haben noch viel vor.« Ich schob die Kamera wieder in meine Tasche und machte mich auf den Weg zum Auto. Während ich hinüberging, glitten Ollies olivgrüne Augen über mich.
    Oliver »Ollie« Montero war Davids bester Freund und sein völliges Gegenteil. Während David T-Shirts mit der Aufschrift
James Brown liebt euch alle
und Chucks trug, bevorzugte Ollie Hemden mit Button-Down-Kragen und Gucci-Loafer. David mochte mich, Ollie nicht. In seiner Gegenwart fühlte ich mich unsicher und unwohl. So als hätte er Filet Mignon bestellt, aber nur einen Burger bekommen.
    Jetzt verstellte er mir den Zugang zu meinem Platz auf Langleys Rücksitz. »Kommst du heute Abend zu Joss’ Party?«, fragte ich, um wenigstens irgendetwas zu sagen. Ich hatte immer das Gefühl, dass Ollie mein Unwohlsein wie ein Hund riechen konnte und Spaß daran hatte.
    Er sah mich zwei Sekunden länger an als nötig. »Ich bin noch nie zu Livingston-Highschool-Partys gegangen, warum sollte ich ausgerechnet jetzt damit anfangen?« Gerüchten zufolge ging Ollie nur mit Mädchen von den vornehmen Schulen in New
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