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Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Mechthild Lanfermann
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war, zurück. Die DDR gab es nicht mehr, seine Akte, so erfuhr er auf der Gauck-Behörde, sei nicht auffindbar. Der Mann sah älter aus, als er war. Noch immer schreckte er jede Nacht aus dem Schlaf auf und meinte, das laute Klacken der eisernen Türriegel zu hören und die Schritte der Wachleute, die ihn holen wollten. In der Fremde war es ihm nicht gelungen, das alles zu vergessen. In der alten Heimat hoffte er nun, wieder der zu werden, der er einmal gewesen war. Er kaufte sich ein Haus in dem Dorf, aus dem er kam, und versuchte, noch mal neu anzufangen. Aber in dem Maße, in dem er Fuß fasste, sich eine Existenz aufbaute und Freundschaften schloss, wuchs in ihm das brennende Verlangen herauszufinden, wer ihn damals verraten hatte.

Samstag, 22. März. Berlin, Kreuzberg
    M it einem Ruck war Emma wach. Sie lag allein in Blumes breitem Bett, die Tür zum Wohnzimmer stand offen, sie hörte ihn leise murmeln. Sie zog sich die Decke über den Kopf. Das Laken roch nach Sex. Ihr Handy klingelte, und sie streckte den Arm unter der Bettdecke hervor, um in die Tasche der Jeanshose zu greifen, die zusammengeknüllt vor dem Bett lag. Das Symbol des Bereitschaftsdienstes blinkte.
    »Ja?«
    »Einsatz mit Menschenrettung am Marschweg, Zehlendorf. Polizei und Krankenwagen sind vor Ort, der Presse sprecher fährt auch los. Scheint größer zu sein. Willst du den Ü-Wagen haben?«
    Sie kroch steif unter der Decke hervor und warf einen Blick auf die Armbanduhr, die auf dem kleinen Tisch am Bett lag. Der Dienst des Ü-Wagen-Technikers begann in einer Stunde. »Lass mich erstmal gucken. Vielleicht wird’s nur was für die Nachrichten.«
    Zerzaust stand sie vor dem Badezimmerspiegel und betrachtete beim hastigen Zähneputzen ihre Augenringe. Heute war Jennis erster Todestag. Sie hätte gestern Abend nichts trinken dürfen, schließlich hatte sie Bereitschaft gehabt. Zum Glück war der Anruf erst jetzt gekommen.
    In der Küche stand Hauptkommissar Edgar Blume in Unterhose und versuchte trotz brummenden Kopfes zu verstehen, was der Anrufer ihm gerade gesagt hatte. Langsam wiederholte er:
    »Der Lehrer ist tot?«
    »Ja. Eben kam der Rundruf, alle müssen ins Vereinsheim kommen. Alibi klarmachen.«
    Blume fror. Er stellte sich auf den Läufer im Flur.
    »Wieso Alibi?«
    »Rocco Schmitz wollte ihn sich gestern vorknöpfen. Der Hooligan mit der Jacke von Lokomotive Leipzig, der Kleine mit der …
    »Ja ja, ich weiß schon. Hat dieser Schmitz also den Lehrer umgebracht?«
    »Nee. Weiß nicht. Angeblich hat Schmitz gesagt, der Lehrer hätte noch gelebt, als er mit ihm fertig war. Er hätte ihn nur derbe vermöbelt.«
    Blume nieste. Ich muss mir was anziehen, dachte er. Laut sagte er:
    »Warum hat er den Mann verprügelt?«
    »Der Lehrer hat die Drogen aus dem Verkehr gezogen. Vorerst, hat er gesagt. Bis wieder Ruhe herrscht. Ihm war das alles zu heiß geworden. Rocco ist total ausgerastet. Seine Zulieferer aus Tschechien sind ihm im Nacken. Wenn er das Zeug nicht verkaufen kann, dann kann er sie nicht auszahlen. Und bei denen hat man besser keine Schulden.«
    In der Toilette rauschte die Spülung. Das hieß, dass Emma jetzt wach war. Blume senkte seine Stimme.
    »Wo sind die Drogen jetzt? Hat dieser Hooligan, der Schmitz sie?«
    »Ich glaube nicht. Er hat gesagt, er hätte nichts gefunden.«
    Emma kam rein. Ohne ihn anzusehen, griff sie nach der Espressokanne und schraubte sie auseinander. Blume betrachtete sie. Ihre Bewegungen waren müde, aber gleichzeitig ging eine Hitze von ihr aus, als stünde sie unter Strom. Er kannte diesen Zustand. Halblaut sagte er ins Telefon:
    »Gut, wir sprechen uns. Wiederhören.«
    Er warf den Hörer auf den Esstisch, ging zu Emma und strich ihr von hinten leicht über die Schulter. Sie drehte sich kurz zur Seite, er sah sie lächeln. Der Kaffee zischte leise auf der Gasflamme. Sie nahm die Kanne vom Herd, goss beiden eine Tasse ein und sagte:
    »Ich hab einen Einsatz. Ein Toter, Marschweg in Zehlendorf.«
    Jetzt ist schon die Presse dran, dachte er. Ich muss mich beeilen.
    Sie trank den Espresso und verzog die Lippen bei der Berührung mit dem heißen Getränk. Blume sah weg. Er konnte es nicht ertragen, wenn sie so nachlässig mit ihrem Körper umging. Er fragte:
    »Was ist mit Johann?«
    Sie schwieg, das pure schlechte Gewissen. Sein Sohn war ein begeisterter Fußballspieler, und Emma hatte schon vor Wochen zugesagt, zum Auftaktspiel der Saison mitzukommen. Johann war nicht gerade gut auf Emma zu sprechen.
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