Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer lügt, gewinnt

Wer lügt, gewinnt

Titel: Wer lügt, gewinnt
Autoren: Patrícia Melo
Vom Netzwerk:
das so, lesender- und schlafender- und schokoladeessenderweise, und in meinem Kopf vermischte sich alles, manchmal notierte ich mir irgend etwas im Computer, das war meine Art zu arbeiten.
    Es schlug Mitternacht. Ich machte in der Küche eine Tasse Milch warm, schnappte mir die Medikamente und ging zu meiner Mutter ins Schlafzimmer. Sie kniete noch auf dem Betschemel, den Kopf gesenkt, und redete mit Gott. Heiligenbilder bedeckten alle Wände. Seit über zwei Jahren ging meine Mutter nicht mehr aus dem Haus, seit Moisés, mein älterer Bruder, an Leukämie gestorben war. Sie fragte, ob ich die Fenster geschlossen, die Türen verriegelt, das Gas abgedreht hätte. Sie wollte wissen, ob ich ihr ein Megaphon kaufen könnte. Was willst du mit einem Megaphon? fragte ich. Es sollte neben dem Bildnis von Unserm Herrn Jesus Christus aufgestellt werden, erklärte sie. Es müßte ein sehr leistungsfähiges Megaphon sein, sie würde Jesus Christus kein Billigmarkenmegaphon an die Seite geben. Ich versprach ihr, daß ich eins kaufen würde. Dann deckte ich meine Mutter zu und gab ihr einen Kuß. Als ich schon aus dem Zimmer gehen wollte, fragte sie mich, ob ich auch mein Versprechen, nicht mehr nächtelang zu lesen, einhielte. Ich antwortete mit ja. Wie schön, mein Sohn, sagte sie. Diese Bücher sind dir überhaupt nicht bekommen.

3
    Klapperschlangen, Halbmond-Lanzenottern, Jararacas, Jararacussus, Buschmeister, Cotiara-Lanzenottern, all diese und noch viele andere Schlangen konnte ich auf den Dias bewundern, die Fúlvia während ihres Vortrags zeigte. Ich sah auch Bilder von Hunden, die gelähmt waren, weil eine Klapperschlange sie gebissen hatte, von Füßen, die nach Unfällen mit Jararacas abgestorben waren, und viele, viele Opfer von Unfällen mit Schlangen, einigen fehlte ein Arm, anderen ein Fuß, ein Bein, eine unglaubliche Vorführung.
    Die Aula des Instituts war leer. Außer mir gab es nur noch sieben Provinzler, Beamte aus den Krankenstationen im Landesinnern, die ein paar Grundlektionen in Sachen Anwendung von Antischlangenserum brauchten. Ich machte es mir in der ersten Reihe, gleich neben der Leinwand, bequem, heftete meinen Blick auf Fúlvia, ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Ein rosiges Mädchen, Nährmutter der Schlangen. Sie trug ein enges blaues Kleid, das ihre Rundungen vorteilhaft betonte. Ab und zu schnappte ich ein Wort, einen Satz über die Effizienz antitoxischer Wirkstoffe, die Anwendung von Seren, lokale Desinfektion mit Alkohol auf, sie sagte, verwenden Sie Einwegspritzen, aber ich achtete nicht auf ihre Worte, ich war nicht zum Zuhören dort, ich wollte schauen, ich wollte sehen, und das tat ich, ich sah muskulöse Arme, ihren Nacken, ihren Hals, ich sah zierliche Hände, unlackierte Nägel, so wie ich sie mochte. Und weiße Zähne. Muskeln. Hören Sie auf damit, sagte sie, als sie an mir vorbeiging. Ich hörte nicht auf. Ich schaute weiter; Unverschämtheit, sagte sie, ich wußte, daß es ihr Spaß machte. Übrigens, erzählte sie mir später, das hat mir gefallen, man hätte denken können, du wärst Fleischbeschauer, sagte sie.
    An jenem Abend lobte Fúlvia, während wir zu Abend aßen, meine Idee, bei dem Verbrechen eine Schlange als Waffe zu benutzen. Sie hatte sich im Geist schon einen Plan zurechtgezimmert, ich war Teil dieses Plans und hatte nicht die leiseste Ahnung davon. Du hast dir da ein sehr intelligentes Verbrechen ausgedacht, sagte sie. Ich habe mir noch gar nichts ausgedacht, antwortete ich, ich werde mir etwas ausdenken, aber sie hörte mir überhaupt nicht zu. Wie wird die Polizei beweisen, daß es kein Unfall war? fragte sie. Laß uns zusammen überlegen; die Frau fährt mit dem Mann in ein Plantagenhotel, fernab von allen Krankenhäusern und Krankenstationen. Möchtest du noch Wein? fragte ich. Ja, bitte, sagte sie. Wenn diese Frau, fuhr sie fort, wenn diese Frau in einem Serotherapeutischen Zentrum arbeitet, so wie ich, dann wird sie wissen, welche Krankenstationen kein Antischlangenserum besitzen und wird ein Plantagenhotel in einer solchen Gegend aussuchen. Überleg mal, sagte sie, es ist leicht, sich eine Bothrops jararaca zu besorgen, in diesen Instituten tauchen viele Händler auf, die dort illegal Schlangen verkaufen wollen. Du hast ja die Zahlen gesehen, die ich dir gezeigt habe, achtundachtzig Prozent der im Land registrierten Unfälle gehen auf Kosten von Bothrops jararaca, und die gibt es überall. Denk mal drüber nach. Der Mörder könnte auch eine Bothrops
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher