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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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Ich weiß nicht.«
    »Wieso denn nicht? Nur wir Jungs! Mit Chips und Bier!«
    »Hm.« Betreten schaut Mark mich an. Aus seinen Augen ruft es: Hilfe! Ein Mann will mich flachlegen!
    »Ja, Schatz, mach nur! Das wäre doch nett!«, sage ich heimtückisch grinsend. Erstens ist diese latente Homophobie lächerlich, zweitens ist Mike gar nicht schwul und drittens soll Mark selbst zusehen, wie er aus der Nummer wieder rauskommt.
    »Also, ich geh eigentlich immer nur mit Frauen ins Kino.« Bedeutungsvoll lässt Mark diese Worte im Raum stehen.
    »Ich auch!«, erwidert sein neuer Verehrer nach einer kurzen Pause.
    »Nein, ich meine. Also. Ich stehe auf Frauen.«
    Mike schaut ihn sehr eigenartig an, ich verdrehe die Augen. Nur Barnie hat endlich wieder Spaß. Er kichert wie ein Schulmädchen.
    »Ich will dich nicht flachlegen«, sagt Mike.
    O Gott, ist das peinlich! Aber: Wahrscheinlich hat mein werter Kollege mit genau diesem Satz zwei Drittel der Kerben in seiner Bettstatt zustande gebracht. Barnies Kichern wird immer hysterischer, während mein Freund auf einmal sehr nüchtern wirkt.
    »Ach so. Entschuldigung«, murmelt er und schaut ein bisschen verlegen.
    »Ist schon okay.«
    Das Thema gemeinsamer Kinobesuch scheint gestrichen zu sein. Aber schön, dass man sich auf diese Weise etwas näher kennengelernt hat.
    Als Mark zu Hause die Tür aufschließt, hat er bereits einen viertelstündigen Monolog meinerseits zum Thema Wie verhalte ich mich gegenüber den Kollegen meiner Freundin über sich ergehen lassen müssen. Wenn er mich zu einem seiner Schönschnipplerkongresse mitnehmen würde und ich dort einer der Ärztinnen halböffentlich erotische Absichten unterstellen würde, wäre er schließlich selbst mehr als peinlich berührt. Jetzt fällt sein Blick auf meinen Koffer.
    »Ach, du hast ja schon gepackt. Muss ich noch machen.«
    »Ja, mach ruhig. Ich schau zu.«
    Mark beim Packen zuzuschauen ist nämlich ausgesprochen beeindruckend. Er holt seine Reisetasche aus der Kammer, klappt sie so weit wie möglich auf und stellt sie vor den Schrank. Dann beginnt die Show: Ein Kleidungsstück nach dem anderen wird aus dem Schrank gezogen und ungefaltet in die Tasche gepfeffert, bis dort ein chaotischer Haufen liegt. Ich schaue fasziniert zu und ergötze mich an dem Gefühl, im Auge eines Orkans zu stehen. Leider dauert die Zeremonie bei Wochenendtrips nicht lange. Mark schmeißt auf den Haufen noch seinen Kulturbeutel und eine Fachzeitschrift, das Ladegerät seines Handys und Turnschuhe. Ich staune, wie immer. In der Wohnung ist er ordentlich bis zwanghaft, aber der Inhalt seines Gepäckstücks sieht aus wie ein ungemachtes Bett. Da behaupte noch einer, nur Frauen wären widersprüchlich.
    »Wenn du Brustimplantate einsetzt, machst du das dann auch so?«
    »Was? Nein. Das ist ja jeweils nur ein Teil.«
    Vielleicht ist das der Trick. Wenn er dreißig kleine Reisetaschen hätte, würde er in jede einzelne ein akkurat gefaltetes T-Shirt legen?
    Ich suche noch die Flugtickets und die Bestätigung des Hotels in Kampen raus und stecke sie in meine Handtasche, während Mark schon unter der Dusche prustende Geräusche von sich gibt. Als ich unsere Jacken bereitlege, damit wir sie morgen früh nicht vergessen, spüre ich etwas Hartes, Kantiges in seiner Innentasche. Ohne nachzudenken, hole ich es heraus. Es ist ein kleines Kästchen, und es sieht verdammt nach Juwelier aus. Himmel, was mache ich denn jetzt damit? Mark dreht die Dusche ab, und ich lasse das Kästchen flugs wieder in die Tasche gleiten. Nichts ist schlimmer, als bei so etwas erwischt zu werden. Obwohl das da drin ja sicher für mich ist. Oder? Was mache ich, wenn es nicht für mich ist?
    Eine halbe Stunde später liege ich neben Mark im Bett und lasse meine Gedanken Achterbahn fahren. Dabei heben sie die Arme in die Luft und kreischen, wie man das eben so macht. Der Lärm in meinem Kopf ist ohrenbetäubend. Ich muss die ganze Zeit an den Film Tatsächlich Liebe denken, in dem Emma Thompson kurz vor Weihnachten einen herzförmigen goldenen Anhänger in der Tasche ihres Gatten findet, aber dann nur ein Joni-Mitchell-Album geschenkt bekommt – den Anhänger bekommt seine Sekretärin. Dazwischen denke ich mir, dass ich ja viel jünger als Emma Thompson und also eher die Sekretärin bin, die Heike Makatsch spielt. Das würde dafür sprechen, dass der Inhalt des Kästchens für mich ist. Andererseits ist Heike Makatsch hübscher als ich, zumindest nach Bearbeitung durch eine
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