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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Autoren: Lilian Thoma
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High-Society-Mutter-Teresa, während die politisch Verfolgten, Aidskranken und Kriegswaisen sie in Wahrheit weitaus weniger interessierten als ihre mit Hyaluronsäure unterspritzten Nasolabialfalten. Ich fand solche Lästereien aber unfair. Claire mochte zwar dem Klischee einer Lady Botox entsprechen, die ihr »Shop until you drop« -Leben genoss. Und sie hielt es auch für lobenswert, dass ihr älterer Sohn, der eine internationale Privatschule besuchte, sein Essay im Fach »Environmental Studies« mit der Aussage beendete: »Men work, women buy.«
    Dennoch musste man anerkennen, dass Claire wirklich viel Geld an Bedürftige spendete und somit nicht zu der großen Gruppe vermögender Menschen gehörte, auf die der Spruch »Haben kommt vom Behalten« zutrifft.
    Verheiratet war Claire mit Klaus-Dieter, dessen Lieblingswort »stemmen« war. Klaus-Dieter stemmte einfach alles in seinem Leben: seine Häuser, sein Motorboot, seine Baufirma und seine Familie.
    Als Dank für sein vieles Stemmen erwartete er von Claire Gefügigkeit. Das gipfelte darin, dass er sie zu sich ins Wohnzimmer zitierte und nach der Uhrzeit fragte, damit er sich nicht selbst zu der über ihm hängenden Wanduhr umdrehen musste. Oder dass er sie aus dem Schlafzimmer mit dem Handy in der Küche anrief, um sich bei ihr einen frisch gepressten Orangensaft ans Bett zu bestellen.
    Meine Meinung zu ihrer Beziehung mit Klaus-Dieter hatte ich Claire noch nie gesagt, und sie hatte mich auch noch nicht danach gefragt, denn Claire gehörte zu den Frauen, die ihr Unglück entweder verdrängen oder mit Luxus kompensieren. Deshalb umgab sie sich in der Regel auch nur mit Freundinnen, deren Beziehungen mindestens so kompliziert waren wie ihre eigene – ich selbst gehörte bis zu meiner Trennung auch dazu. Die vermeintliche Tatsache, dass es zwischen Paaren nirgendwo besser lief als zwischen ihr und Klaus-Dieter, be ruhigte sie.
    »Ich bin ganz zufällig hier in der Gegend, weil am Kollwitzplatz ein neuer Flower-Art -Laden aufgemacht hat«, behauptete Claire.
    Ihre Neugierde darauf, wie ich mir mein neues Leben ein gerichtet hatte, stand ihr aber so offenkundig ins Gesicht geschrieben, dass ich ihrer Spontaneität unmöglich glauben konnte.
    Als Claire mich schließlich zu einer »Schlossführung« – so nannte sie es – aufforderte und ich ihr zeigte, dass sich die Zwillinge ein Zimmer teilten und ich für Lorenz eine ehemalige Kammer umgebaut hatte, musste sie merklich schlucken.
    »Lorenz’ Reich sieht ja aus wie eines dieser überteuerten japanischen Hotelzimmer, in denen man sich wie im Leichenschauhaus fühlt«, sagte sie scherzend. »Oder wie ein Schlafwagenabteil im DB-Nightliner.«
    Da Claire die Vorstellung, auf ihren Lifestyle zu verzichten, unerträglich erschien, ging sie automatisch davon aus, es würde mir genauso gehen. Und so zwinkerte sie mir betont aufmunternd zu und sagte, ich hätte bestimmt bald ebenso viel Glück wie die Serienfigur Angi Graf aus der Achtzigerjahre-ZDF-Serie Ich heirate eine Familie .
    Dieses TV-Highlight hatte sie in ihrer Jugend rauf- und runtergeguckt. Jedenfalls konnte sie mir noch genau erzählen, wie die besagte Angi mit ihren drei Kindern von dem attraktiven Werbegrafiker und Dauersingle Werner Schumann geheiratet wird. Und wie der gezähmte Werner vom Moment seiner Hochzeit an in jeder Folge von Neuem beteuert, dass ihm in seinem Leben nichts Besseres hätte passieren können.
    Zugegeben, manchmal beneidete ich die Frauen, die auf rewind drückten und entweder kurz nach ihrer ersten Ehe zum zweiten Mal heirateten oder sich noch während ihrer laufenden Beziehung von einem Fluchthelfer abwerben ließen, mit dem sie gleich wieder zusammenzogen und noch mindestens ein gemeinsames Kind in die Welt setzten. Trotzdem passte dieses Lebenskonzept nicht zu mir.
    »Für mich ist es jetzt erst mal das Wichtigste, beruflich wieder Fuß zu fassen«, sagte ich und erklärte, mich nicht noch mal mit einem Ernährer liieren zu wollen, in dessen Abhängigkeit ich wieder geraten könnte. Außerdem wollte ich auf keinen Fall ein viertes oder womöglich fünftes Kind kriegen, für das ich mich beruflich erneut einschränken müsste. Die Ge fahr, mit noch einem Kind in eine ähnliche Falle zu tappen, die während meiner Ehe mit Mark zugeschnappt war, erschien mir zu groß.
    An einer neuen Liebesbeziehung, fuhr ich fort, war ich zwar interessiert, nicht aber an einer Versorgungs- und Hausgemein schaft. Schon allein aus erotischen
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