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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf
Autoren: Karin Fossum
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gewesen war. Wie ein ganzes Leben. Er war plötzlich wie gelähmt. Sein Verstand wollte nicht mehr. Das kam von dem Scheißschnaps. Kannick lag schluchzend auf dem Boden.
    »Hinter dem Haus geht es steil bergab«, jammerte er. »Vielleicht rollt er ganz von selber nach unten.«
    »Herr Jesus, ich kann nicht mehr!«
    Kannick löste sich von der Wand, lief zu Morgan hinüber und schüttelte ihn heftig. »Du mußt! Du mußt!«
    »Ich muß überhaupt nichts!«
    »Wir machen das zusammen. Und dann hauen wir ab. Wir müssen!« Und dann fiel ihm plötzlich etwas ein: »Niemand wird ihn vermissen!«
    »Doch«, erwiderte Morgan leise. Und voller Staunen spürte er, daß er die Wahrheit sagte.
    Er schluchzte hilflos und starrte aus dem Fenster. Die Landschaft war undeutlich, fand er, sie schien zu verschwinden. Er mußte weg. Verrückt werden wie Errki. Er könnte jetzt jederzeit loslallen, das merkte er. Irgendwo versinken und für die Welt verloren sein. Die Sprechenden erstaunt ansehen, weil er nicht verstand, was sie sagten. Sich nicht darum kümmern, sie einfach reden lassen. Mich geht das nichts an. Diese Gesellschaft ist zu schrecklich. Man muß zu viele Rücksichten nehmen. Auf den Erpresser, der im Gefängnis auf ihn wartete. Auf den fetten unglücklichen Jungen vor ihm.
    »Wir müssen!« schrie Kannick.
    Morgan ließ den Kopf auf die Brust sinken. Er hörte Kannicks keuchenden Atem und noch etwas, in der Ferne, langsam kam es näher. Bellende Hunde, noch weit weg.
    »Es ist zu spät«, stöhnte er. »Da kommt jemand.«

SEJER STUDIERTE DIE KARTE. »Wir kommen gleich zu einer alten Alm.« Er kniff die Augen zusammen und gab die Richtung an. »Ich wette, die haben sich in einem von den alten Häusern hier versteckt.«
    »Was machen wir, wenn wir sie finden?« fragte Skarre.
    Sejer sah einen nach dem anderen an. »Ich persönlich habe keinen großen Sinn für Dramatik. Ich schlage vor, wir bleiben in sicherer Entfernung stehen und rufen sie. Machen ihnen klar, daß wir in der Mehrheit sind und außerdem bewaffnet.«
    »Und wenn er herauskommt und die Geisel vor sich herschiebt? Ihr den Revolver an die Schläfe hält?«
    »Dann lassen wir ihn laufen. Er kommt ja doch nicht weit. Wir sind fünf gegen zwei.«
    Skarre wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Laßt die Waffen stecken«, sagte Sejer. »Ich will nicht, daß wir einen von euch in dieser Scheißhitze nach Hause schleppen müssen. Wenn alles vorbei ist, müssen wir über jede Minute Rechenschaft ablegen. Schriftlich, auf Ehre und Gewissen. Ohne meine Erlaubnis werdet ihr eure Waffe nicht mal ansehen. Und wenn ich es mir anders überlege, sage ich euch Bescheid.«
    Er ging weiter, die anderen trotteten hinterher. Sie mochten ihn alle, aber manchmal fanden sie ihn doch ein wenig defensiv. Einsätze wie dieser waren selten. Sie hatten sich nicht hierher gewünscht, in diesen glühendheißen Wald, aber das Adrenalin schmeckte trotzdem süß.
    »Das da unten muß der Himmelreichsweiher sein«, Sejer zeigte auf den kleinen See. »Da gibt es ein Gehöft, jedenfalls laut Karte. Obwohl ich von hier aus nichts sehen kann. Ich wette eine Runde darauf, daß die Hunde den See ansteuern werden.«
    »Ich sehe kein Haus.« Ellmann überschattete seine Augen mit der Hand. Doch er sah nur eine dichte Baumgruppe. »Vielleicht
    steht es hinter den Bäumen. Dann können sie uns nicht sehen.«
    Sie gingen weiter, die Hunde vorweg, geradewegs auf das Wäldchen zu. Skarre schaute ab und zu zum Himmel hinauf. Er wollte sich davon überzeugen, daß der Schöpfer sie im Auge behielt. Der stille Wald hatte etwas Bedrohliches, das ihn zweifeln ließ. Die Stille wirkte schicksalhaft, sie schien sich zu einer gewaltigen Explosion aufzuladen. Aber es waren keine Wolken zu sehen, nur ein leichter Dunstschleier hing über den Bäumen. Langsam und unerbittlich wurde dem Boden die Feuchtigkeit entzogen, sie stieg auf und legte sich als milchiger Dunst über die Landschaft. Vielleicht hielten die beiden Männer nach ihnen Ausschau. In einem offenen Fenster, die Waffe im Anschlag. Oder sie waren längst über den Hügelkamm geflohen. Langsam näherten sie sich dem Wäldchen. Kein von Menschenhand stammendes Bauwerk war zu sehen.
    Sie beschlossen, Zeb auf den Horchposten zu setzen. Ellmann rief den Hund zu sich, die beiden anderen wurden an die Leine genommen. Die Männer betrachteten das große braune Tier. Zebs Kopf bewegte sich langsam hin und her, seine Ohren schienen wie Antennen zu suchen und
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