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Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt
Autoren: Barbara Bickmore
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sagte er: »Was glaubst du wohl, wie Frauen zumute ist, wenn sie die Beine hochgelegt und gespreizt haben, während ein Mann sie untersucht?«
    Wieder Schweigen. »Ja, von mir aus, dann sieh es eben aus dieser Sicht. Hör mal, John, ich kann sie in den Nachtzug setzen, und sie kann morgen früh in Sydney sein. Was hältst du davon, sie um zehn zu empfangen? Eines Tages wirst du mir dankbar dafür sein. Sie heißt Clarke. Dr. Cassandra Clarke.« Er legte den Hörer auf und grinste Cassie an. »Also, was ist?« Sie starrte ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. Das alles passierte viel zu schnell. Wie sollte ihr Leben weitergehen? Wohin auch immer es sie führen würde, zumindest würde es sie von Ray Graham fortführen.
    »Du brauchst nicht ja zu sagen. Er auch nicht. Die Vorstellung, eine Frau in seiner Organisation zu haben, begeistert ihn keineswegs. Er hat gesagt, er wäre nie auch nur auf den Gedanken gekommen. Mach ihm die Hölle heiß, Cassie. Die da draußen wirst du umhauen.«
    Wo da draußen?

2
    A ugusta Springs war eine staubige kleine Stadt mit einem Ausblick von hundertachtzig Grad. Als Cassies Zug – er fuhr einmal in der Woche – langsam in den Bahnhof tuckerte, flackerte in ihrer Brust das erste Gefühl seit zwei Monaten auf. Furcht.
    Was tat sie hier, fast tausend Meilen von der Zivilisation entfernt? Was wußte sie überhaupt über diese Stadt? Es gab dort ein kleines Krankenhaus und zwei ortsansässige Ärzte. Es war ein Umschlagplatz für den Rindertransport vom Norden zu den großen Märkten. Es gab dort eine Schule mit sechs Klassen und vielleicht – über den Daumen gepeilt – zwölfhundert Einwohner.
    Diese Stadt hatte mit nichts Ähnlichkeit, was sie je gesehen hatte, noch nicht einmal im amerikanischen Westen. Die Gegend war so flach, daß man endlos weit sehen konnte, abgesehen davon, daß in der sandigen Erde Eukalyptus wucherte. Reverend Flynn hatte sie gewarnt, es könnte ihr Schwierigkeiten bereiten, akzeptiert zu werden. »Aber wenn sie keine andere Wahl haben, werden sie eine Frau akzeptieren müssen.«
    Das war kein großer Trost. Er hatte ihr außerdem gesagt,
das
große Problem der australischen Ureinwohner, der Aborigines, seien Geschlechtskrankheiten. »Und es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß sie sich von einer Frau untersuchen lassen werden.«
    Warum hatte er sie dann für den Posten ausgewählt?
    Warum hatte sie ja dazu gesagt? Weil sie weit weg sein wollte, weit weg von Ray Graham. Weil sie weder die Energie noch das Interesse aufbrachte, sich etwas anderes einfallen zu lassen, was sie hätte tun können oder wohin sie hätte gehen können.
    Sie fühlte sich allein, so allein, wie sie sich niemals hätte vorstellen können, daß jemandem so zumute war. Sie würde das nächste Jahr ihres Lebens in dieser abgeschiedenen Ortschaft und in der Luft verbringen. Sie hatte noch nie in einem Flugzeug gesessen. Ob ihr wohl übel werden würde? Ich fürchte mich nicht vor dem Sterben, sagte sie sich, aber ausgerechnet Übelkeit?
    Sie wappnete sich, nahm vor Entschlossenheit eine steife Haltung ein und starrte aus dem Zugfenster in die grelle Sonne hinaus. »Ich habe nichts mehr zu verlieren«, sagte sie laut vor sich hin. Gleichzeitig war sie sicher, daß es auch nicht viel gab, worauf sie sich hätte freuen können.
     
    Sam Vernon, der Pilot vom Fliegenden Ärztedienst, stand mit einem Grashalm im Mund auf dem Bahnsteig, hatte sich die Baseballmütze auf den Hinterkopf geschoben und schaute sich durch seine dunkle Brille auf dem Bahnhof um. Er wirkte großspurig. Groß und dürr wie eine Bohnenstange, braungebrannt. Ihr fiel auf, wie sein Blick jeder einzelnen jungen Frau folgte. Sie war sicher, daß er sie hinter dieser Sonnenbrille vor seinem geistigen Auge alle auszog. Nicht etwa, daß viele Mädchen ausgestiegen wären. In diesem Ort stiegen überhaupt nicht viele Leute aus.
    Cassie nahm ihre kleine Reisetasche, ging auf ihn zu und strich sich das kurze, dichte kastanienbraune Haar aus dem Gesicht.
    »Mr. Vernon?«
    Er riß den Kopf herum, um sie anzusehen, und dann murmelte er: »Ma’am?«
    Sie stellte ihre Tasche ab und sagte: »Ich bin Cassandra Clarke.« Sie hielt ihm die Hand hin.
    Er starrte sie einen Moment lang an, ehe er ihre Hand nahm.
    »Mein Gepäck ist dort drüben.« Sie deutete auf ihre Gepäckstücke.
    Er sah erst ihre Taschen an und dann wieder sie, ehe er auf das Gepäck zuging. »Ja, Ma’am.«
    Er schnappte sich ihre Taschen und wies mit einer
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