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Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt
Autoren: Barbara Bickmore
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hatte.
    Dann war sie nach Hause gekommen, zurück nach Melbourne, um in der Notaufnahme des größten Krankenhauses der Stadt zu arbeiten, als die erste Frau, die das tat. Jahrelang war sie gewarnt worden, sie würde Schwierigkeiten damit haben, eine Privatpraxis zu eröffnen, und noch nicht einmal Frauen würden von einer Ärztin behandelt werden wollen, und in diesem Job würde sie Erfahrungen sammeln können und wäre vorerst der Sorge enthoben, wie sie in einem Land, das zwanzig Jahre lang nicht ihr Zuhause gewesen war, ihre eigene Praxis gründen könnte.
    Sie hatte den Verdacht, sie hätte es Dr. Norman Castor zu verdanken, dem Chefchirurgen, daß man ihr diesen Job angeboten hatte. Dr. Castor, ein Freund ihres Vaters, der zusammen mit ihm studiert hatte, war zu Besuch gekommen, als ihr Vater Konsul in San Francisco war und in den Botschaften in London und Washington arbeitete. Für sie war er »Onkel Norm« gewesen, seit sie ein kleines Mädchen war.
    Sie wußte, daß er stolz auf sie war. Mit Fällen von Traumata kam sie gut zurecht, sie war Notfällen gewachsen, und sie zögerte nicht, einen Chirurgen hinzuzuziehen, wenn sie ihn brauchte, oder sich im Zweifelsfall an einen Spezialisten zu wenden. Sie hatte in Krankenwagen Entbindungen vorgenommen, Schnittwunden genäht und sogar bei einer Frau mit einer Schußwunde im Bauch auf dem Linoleumfußboden einer Wohnung im dritten Stock einen Kaiserschnitt durchgeführt. Einen Abend in der Woche hielt sie in ihrer Freizeit Schwangerenkurse ab und erteilte in einer Klinik kostenlos Informationen zur Geburtenkontrolle.
    Eines Nachts, als sie für einen Trauma-Patienten einen Neurochirurgen brauchte, lernte sie in der Notaufnahmestation Dr. Raymond Graham kennen. Sie hatte ihn um halb fünf morgens anrufen und wecken müssen. Eine halbe Stunde später war er da und nickte ihr nur flüchtig zu, während er den Patienten untersuchte. Dann wandte er sich zu ihr um und sagte: »Sie werden mir assistieren müssen. Kommen Sie mit.«
    Sie war beeindruckt von seinem Können, und als sie den Patienten wieder zugenäht hatten, drehte er sich zu ihr um und lächelte zum ersten Mal. »Das mindeste, was Sie tun können, nachdem Sie mich mitten in der Nacht aus dem Bett geholt haben, ist, mich zum Frühstück einzuladen.«
    In ihren grünen Kitteln mit den Blutflecken setzten sie sich in das Restaurant des Krankenhauses und tranken endlose Mengen Kaffee. Sie war bezaubert von seinen amüsanten Geschichten und von seiner lässigen Art. Er stellte ihr persönliche Fragen und interessierte sich dafür, daß sie vorwiegend in England und Amerika aufgewachsen war.
    Am späten Nachmittag des nächsten Tages rief er sie an, da er wußte, daß sie tagsüber würde schlafen müssen. »An welchen Abenden arbeiten Sie diese Woche nicht?«
    »Am Dienstag und am Donnerstag.«
    »So lange will ich nicht warten. Wie wäre es mit einem Abendessen morgen abend?«
    Es war das erste Mal, daß sie zum Abendessen ausging, seit sie in dem Krankenhaus arbeitete – seit fast einem Jahr. Die wenigen Frauen, die sie unabhängig von ihrer Arbeit kennengelernt hatte, konnten nicht verstehen, warum sie lieber Ärztin als Ehefrau sein wollte. Die wenigen Frauen, die sie von der Arbeit her kannte, waren Krankenschwestern, die es nicht gewohnt waren, mit Ärzten befreundet zu sein.
    Cassie merkte plötzlich, daß sie einsam gewesen war. In der Notaufnahme knisterte die Luft ständig vor Dramen, und gewöhnlich schleppte sie sich nach einer Nacht dort nach Hause und war zu müde, um daran zu denken, Freundschaften zu schließen. Aber wenn man an seinem Arbeitsplatz keine Freunde fand, wo dann?
    Sie und Dr. Graham aßen in einem kleinen italienischen Restaurant zu Abend, das ihr nie auch nur aufgefallen war, obwohl sie schon ein dutzendmal daran vorbeigelaufen war. Es erinnerte sie an »Mama Leone’s« in Georgetown, und trotz der Graupelschauer, die heruntergingen, war ihr warm, und sie fand es sehr behaglich. Zwischen dem Salat und dem Chicken Cacciatore erzählte er ihr, daß er verheiratet war und zwei Kinder hatte, daß er und seine Frau sich jedoch nach achtzehn Ehejahren voneinander getrennt hatten. Sie war nach Toowoomba zu ihren Eltern zurückgegangen und würde dort die Scheidung einreichen.
    Sie begannen, an schönen Herbstabenden Spaziergänge am Strand zu unternehmen und die drolligen Pinguine zu beobachten. Sie gingen gemeinsam ins Kino und erkundeten sämtliche Restaurants mit den
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