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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet
Autoren: Olivier Descosse
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Barbarei. Ich wollte dir ins Handwerk pfuschen, wollte selbst so ein abartiges Monster werden, wollte selbst töten. Um dir noch einmal zu zeigen, dass dein ganzes Wissen zu gar nichts nutze ist. So wenig wie damals bei Mama …«
    Charlotte zischte ihm jetzt ihren Hass entgegen. François ertrug es, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Er wusste, dass ihr glühender Schmerz daran schuld war, dass sie einen so beißenden Rauch ausstieß.
    »Zunächst einmal habe ich mich informiert. Ich musste wissen, wie du arbeitest und für was für eine Art von Fall du zuständig sein könntest. Ich habe deine Welt genau unter die Lupe genommen: Blut, Tod, Grauen. Ich brauchte nur zu wählen. Ich habe herausgefunden, was Serienmörder eigentlich sind, wie sie so ticken und was ein Profiler für eine Rolle spielt. Ich habe mir genau angesehen, wie eine Ermittlung bei der Kripo abläuft, wie die Spurensicherung funktioniert, die Suche nach Beweisen … Je mehr ich las, desto deutlicher wurde für mich, welchen Weg ich einschlagen musste. Ich brauchte mindestens drei Verbrechen, die grausam und zugleich gut durchgeplant sein mussten und noch dazu an weit voneinander entfernt liegenden Orten stattfinden würden. Denn diese Umstände mussten zusammentreffen, damit man überhaupt von einem serial killer sprach. Meine Chancen standen neun zu zehn, dass man dir die Ermittlung übertragen würde.«
    François musste an die Tatorte denken. Es gab keinerlei Indizien, es wurde kein Fehler gemacht. Charlotte hatte schnell gelernt.
    »Das Problem war nur: Ich war keine Mörderin. Noch nicht. Ich hatte keinerlei Erfahrung darin zu töten. Auch hier musste ich mich erst einmal kundig machen.«
    »Indem du dir Trashfilme angeschaut hast?«
    »Gab es denn eine bessere Inspirationsquelle? Ich habe Dutzende davon gesehen. Die sind derart realistisch, derart heftig. Wie diese Psychopathen so ticken, das spottet jeder Logik. Ihre Grausamkeit ist grenzenlos. Nichts in der Realität hat dem jemals auch nur annähernd entsprochen.«
    Ihre Stimme zitterte ein wenig, als bereite ihr das Erzählen eine gewisse Lust. François musste seinen Ekel unterdrücken und murmelte:
    »Lass mich dir helfen. Du bist krank. Ich kann dafür sorgen, dass du in Behandlung kommst.«
    Sie drehte sich zu ihm um und fragte mit treuherziger Miene:
    »Hast du denn nichts verstanden?«
    »Was soll ich denn verstehen?«
    Schweigen. Das Schweigen des Wahnsinns.
    Dann sagte Charlotte:
    »Mein Psychiater, kleiner Papa, das bist du.«
    67
    Sie befanden sich mitten in der Katharsis.
    Nachdem sie den Mord an ihrer Mutter nachgeahmt hatte, zwang Charlotte ihren Vater, mit ihr eine fingierte Analyse durchzuführen. Diese Inszenierung hatte nur ein Ziel: Sie sollte François dazu bringen, eine Vergangenheit, unter der sie immer noch litt, noch einmal zu durchleben.
    Die junge Frau fuhr fort, wo sie aufgehört hatte:
    »Die Idee ist mir beim Anschauen dieser Filme gekommen. Ich habe mir vier davon ausgesucht. Klassiker, alle sehr bekannt. Ich weiß, du bist kein Fan von ihnen, aber ich dachte mir, früher oder später würdest du eine Verbindung herstellen. Und ich genoss es schon im Voraus, dass du in eine Sackgasse geraten würdest. Vier abscheuliche Verbrechen, eine Nachstellung von Bildern, die man sich ausgedacht hatte, um Kindern Angst einzujagen. Welcher Irre konnte sich so etwas ausdenken? Wie tickt wohl der Täter? Das hast du dich gefragt, nicht wahr?«
    François hatte noch viel mehr getan. Wenn er jetzt an die konstruierten Theorien dachte, an die er sich geklammert hatte. Der Mythos von der Natur, das Ritual der Wiedergeburt, die Transsexualität …
    »Ich muss zugeben: Ich hatte die ganze Zeit einen Mann vor mir gesehen. Einen Perversen, der noch nicht recht wusste, welche Art von Sexualität die seine war.«
    Charlotte lachte spöttisch.
    »Ich habe mir schon gedacht, dass du dir irgendeine These ausdenken würdest. Wenn man um jeden Preis nach einer Erklärung sucht, dann findet man in der Regel auch eine. Und du bist Meister darin, auch wenn du die Realität ein bisschen verbiegen musst. Diesmal war das Problem, dass es keine Logik gab, die dir eingeleuchtet hätte.«
    Der Profiler merkte, dass er nicht mehr so recht mitkam.
    »Was erzählst du da?«
    »Du hast das Wesentliche noch nicht begriffen. Den Mechanismus, den ich mir ausgedacht habe, um dich zu manipulieren. Ich bin nicht die Einzige, die zur Tat geschritten ist. Wir waren vier, erinnerst du dich? Und es hat vier
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