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Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
Autoren: LESLEY PEARSE
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Gegensatz zu Daisy, die in dem Alter jede Gelegenheit zum Ausgehen genutzt hatte, blieben die Zwillinge abends lieber zu Hause.
    »Alles wird gut«, tröstete sie Tom. »Wir sind trotzdem noch eine Familie; wir werden uns gemeinsam um das Haus und den Garten kümmern. Ich bin ja auch noch da.«
    »Dann wirst du also nicht ausziehen?« Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Lucy sagt, wir hätten dich bestimmt die längste Zeit hier gesehen.«
    »Wie kommt sie denn darauf?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Sie hat mitgekriegt, wie Mum und Dad vor einiger Zeit darüber sprachen, wie es später, wenn Mum nicht mehr da wäre, weitergehen soll. Dad meinte, wahrscheinlich würde er das Haus verkaufen und irgendwo ein kleineres suchen, weil er nicht erwarten könne, dass du ewig hier bleibst und dich um alles kümmerst.«
    Daisy dachte einen Moment nach. »Ewig werde ich wohl kaum hier bleiben, das stimmt schon. Irgendwann werde ich wahrscheinlich heiraten und du und Lucy auch. Für Dad wäre ein kleineres, pflegeleichteres Haus sicher sinnvoller. Aber ich hab keine Ahnung, wie Lucy auf den Gedanken kommt, ich würde jetzt gleich abhauen.«
    »Weil Mum uns ein bisschen was hinterlassen hat, darum«, bemerkte er. »Lucy und ich kommen erst an das Geld ran, wenn wir einundzwanzig sind, aber du kriegst deins sofort.«
    Die Neuigkeit machte Daisy wütend auf ihre Schwester. Sie hatte nichts von einer Erbschaft gewusst. Eigentlich hätte das eine nette Überraschung sein müssen, doch es war typisch für Lucy, eine Waffe daraus zu machen.
    »Diesmal irrt sich Lucy gewaltig. Du kannst ihr ausrichten, ich werde bleiben, egal, ob mit Geld oder ohne«, erklärte Daisy energisch. »Ich werde mich um euch kümmern, bis ihr wieder Tritt gefasst habt. Mum hätte das so gewollt. Und jetzt gehen wir besser ins Bett, das wird ein anstrengender Tag werden.«
    Am Tag der Beerdigung fiel leichter Regen, so wie Lorna ihn immer geliebt hatte, weil er gut für ihren Garten war. Die Anteilnahme war groß: Angehörige, darunter viele entfernte Verwandte, alte Freunde und Nachbarn kamen; Kränze und Blumen füllten den Hof vor dem Krematorium.
    Der Gottesdienst kam Daisy ziemlich kurz vor, und obwohl der Vikar einfühlsame Worte für die Verstorbene gefunden hatte, schien er das, was Lornas Wesen ausgemacht hatte, nicht erfasst zu haben. Daisy hätte ihre Meinung vielleicht besser
für sich behalten, als sie später mit der Familie, mit Freunden und ehemaligen Nachbarn auf einen Drink zusammensaß und jeder darüber sprach, was er am meisten an Lorna geschätzt hatte.
    »Ich finde, er hätte erwähnen müssen, dass es ihre größte Gabe war, mit den Leuten zu reden«, erklärte Daisy. »Wisst ihr, was ich meine? Wenn jemand ein Problem hatte, dann hat sie ihm nicht bloß einen Rat gegeben, sie hat sich mit ihm hingesetzt und bei einer Tasse Tee das Ganze durchdiskutiert.«
    Fast alle von Lornas langjährigen Freunden nickten zustimmend. Eine Freundin erzählte, wie Lorna ihr jeden Tag Mut gemacht habe, als sie von ihrem Ehemann verlassen worden war. Lorna sei besser als jeder professionelle Therapeut gewesen, fügte sie hinzu, weil sie die Fähigkeit besessen habe, einen selbst in den schwärzesten Stunden der Verzweiflung zum Lachen zu bringen.
    Eine andere alte Freundin, Auntie Madge, wie Daisy und die Zwillinge sie immer genannt hatten, eine herzliche, gut zweihundert Pfund schwere Frau, die mindestens einmal pro Woche zu Besuch gekommen war, sagte:
    »Weißt du, Daisy, du hast diese Fähigkeit von ihr geerbt. Pflege sie gut, das ist eine wunderbare Gabe.«
    Obwohl Lucy, die mit ihrer besten Freundin Alice auf dem Sofa saß, gar nicht auf die Unterhaltung geachtet hatte, spürte Daisy förmlich, wie ihre Schwester hinter ihr erstarrte und die Atmosphäre im Raum sich abzukühlen schien.
    Als die Gäste gegangen waren und Daisy Gläser und schmutziges Geschirr in die Spülmaschine lud, tauchte Lucy auf. Sie lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. Zu ihrem langen, völlig verknitterten schwarzen Kleid trug sie Doc-Martens-Stiefel. Sie liebte diese Aufmachung. Sie sei, tönte sie stets, eine emanzipierte Frau. Frauen, die sich schminkten und Wert auf schicke Klamotten legten, hatten ihrer Ansicht nach nur Stroh im Kopf. Lorna hatte diese Stiefel gehasst wie die Pest, und sogar Tom hatte seine Schwester zu überreden versucht, an diesem besonderen Tag etwas Nettes, Konventionelles
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