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Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
Autoren: LESLEY PEARSE
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Hocker von ihrem Großvater. Allein in diesem Zimmer Ordnung zu schaffen, wäre eine gewaltige Aufgabe, und Daisy fragte sich, wie sie das alles bewältigen sollten, wenn sie selbst erst einmal wieder einen Job hätte.
    Ihre berufliche Unbeständigkeit rührte zum Teil daher, dass sie Hausarbeit mehr als jede andere Tätigkeit liebte. Sie kochte, putzte und gärtnerte für ihr Leben gern, während ihr die durch kleinliche Bestimmungen eingeschränkte Arbeit in einem Büro oder einem Laden überhaupt nicht lag. Das machte sie zu einem Exoten unter ihren Freunden, richtigen Yuppies der Neunzigerjahre, die versessen aufs Geldverdienen waren und davon träumten, sich ein eigenes Haus zu kaufen. Daisy hatte weder Ambitionen noch irgendwelche Qualifikationen – sie war keine besonders gute Schülerin gewesen. Sie wünschte sich im Grunde nur das, was ihre Eltern hatten: eine gute, liebevolle Ehe und Kinder. Das zuzugeben, kam heutzutage beinahe einem Bekenntnis zum Kannibalismus gleich.
    Daisys Einstellung war teilweise auch für das schwierige Verhältnis zu Lucy verantwortlich. Deren Feindseligkeit war nichts Neues. Sie attackierte Daisy, wo sie nur konnte, warf ihr vor, blöd zu sein, kein Ziel zu haben und in einer Traumwelt zu leben. In gewisser Weise hatte Lucy sogar Recht. Wurde Daisy losgeschickt, um etwas zu besorgen, vergaß sie unterwegs manchmal, was sie einkaufen sollte. Ihr Liebesleben war immer chaotisch und dramatisch gewesen; sie war ein emotionaler, großzügiger Mensch, verschwenderisch und impulsiv.
    Lucy hingegen war überaus intelligent. Sie hatte ein hervorragendes Abitur gemacht und studierte Volkswirtschaft. Die Jungen, mit denen sie ausging, wählte sie sorgfältig aus; sie kam mit ihrem Taschengeld aus und vergaß nie etwas. Die Ursache für die Spannungen zwischen ihr und Daisy lag jedoch woanders.
    Begonnen hatte alles mit Daisys Talent als Turnerin und einem nicht besonders geschickt gewählten Moment, es vorzuführen. In der Grundschule war sie in der Turnstunde so etwas wie der Star gewesen und hatte viele Wettbewerbe gewonnen. Mit vierzehn hatte sie jedoch von Wettkämpfen genug gehabt und nur noch zum Spaß geturnt.
    Lucy konnte Klavier und Klarinette spielen, worum Daisy sie glühend beneidete, weil sie selbst niemals die Geduld gehabt hätte, ein Instrument zu erlernen. An einem Sommernachmittag vor etwa sechs Jahren, als die Familie draußen im Garten gesessen hatte, hatte Lucy im Esszimmer bei offenen Terrassentüren, damit die anderen sie hören konnten, Klavier gespielt.
    Daisy wusste eigentlich nicht, warum sie es getan hatte – vielleicht, wie Lucy vermutete, weil sie es nicht ausstehen konnte, wenn ihre Schwester im Mittelpunkt stand. Als Lucy ein besonders aufwühlendes Stück zu spielen begann, marschierte Daisy zur Küchentür und machte von dort einen Salto rückwärts nach dem andern, die ganze Länge des Gartens hinunter. Dann spazierte sie auf den Händen zurück.
    Tom, Lorna und John klatschten stürmisch Beifall und unterbrachen den Klaviervortrag. Da ließ Lucy wütend den Klavierdeckel herunterkrachen, rief etwas, das klang wie: »Geh doch zum Zirkus! Zu etwas anderem taugst du ja doch nicht«, und sprang schmollend die Treppe hinauf.
    Obwohl sich Daisy später entschuldigte, war Lucy nicht zum Einlenken zu bewegen. Von diesem Tag an herrschte Krieg zwischen den beiden, und Lucy nutzte jede Gelegenheit, Daisy schlecht zu machen und herabzusetzen.
    Dass Lucy plötzlich in die Höhe schoss, bis sie knapp eins fünfundsiebzig maß, Kleidergröße vierundvierzig tragen musste und reichlich Pickel bekam, verbesserte die Situation nicht gerade. Daisy konnte zwar nichts dafür, dass sie schlank war, zehn Zentimeter kleiner und eine ziemlich reine Haut hatte, aber Lucy benahm sich, als hätte eine böse Fee sie mit einem Zauber belegt, der eigentlich für Daisy gedacht war.
    Sie warf Daisy ständig vor, magersüchtig zu sein, versteckte ihre Lieblingskleider und verhöhnte sie gnadenlos wegen ihrer vermeintlichen Dummheit. Daisy machte alles nur noch schlimmer, indem sie Lucy als »fette Streberin« beschimpfte und ihr medizinische Gesichtsreiniger für ihre picklige Haut schenkte. Heute schämte sie sich dafür. Aber Lucy, die ihr nachspioniert, in ihrer Abwesenheit in ihrem Zimmer herumgeschnüffelt und sie in einem fort geärgert hatte, hatte den Bogen einfach überspannt.
    Nachdem sich Daisy ein möbliertes Zimmer genommen hatte, waren sie besser miteinander ausgekommen.
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