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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Autoren: Anna Malou
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Touristenzone, an. Alltag ist eingekehrt, kleine Läden haben geöffnet, Frauen gehen einkaufen. Kinder sieht man nicht, es ist offensichtlich Schulzeit. Ich kaufe etwas Band, um meinen Rucksack für den Flieger verpacken zu können, und stelle fest, dass die Preise hier, jenseits der Touristenströme, um ein Vielfaches ziviler sind als in der Altstadt. Verständlich, aber nicht fair, ist meine Meinung dazu.
    Obwohl ich einen Stadtplan dabeihabe, muss ich zweimal Passanten nach dem Weg fragen, bis ich auf einmal unvermittelt vor einem riesigen, verglasten, rechteckigen Gebäude, dem Centro Commercial Hipercor, stehe. Als ich es betrete, komme ich aus dem Staunen nicht heraus: Zu ebener Erde befindet sich ein Laden neben dem anderen, von jeder Sorte etwas, und die meisten sind relativ klein. Hier sind keine großen Kaufhausketten vertreten, wie wir es aus Deutschland kennen. Zwischen den Ladenzeilen finden sich Cafés, Restaurants, mehrere Schnellimbissstationen usw. Ein Stockwerk höher gibt es Banken, Versicherungen, Massage- und Beautyzentren, Frisöre etc. Das Ganze hat ein gigantisches Ausmaß, und ich sehe mir in Ruhe alles an. Offensichtlich haben wir gerade rebajas, so etwas wie Sonderaktionen bzw. Schlussverkauf. Obwohl ich eigentlich Schuhe in Größe 47 für meinen Sohn suche und diese nicht bekommen kann, finde ich ein schönes Sommerkleid und bin ganz gerührt, mich nach vier Wochen »Wanderlook« mal wieder mit Kleid im Spiegel betrachten zu können. Schön! Ich schlage zu und nehme dieses Schnäppchen mit, jedoch mit der bösen Vorahnung, dass mein Rucksack dadurch nicht leichter wird. Egal, irgendwie bringe ich meine Sachen schon zurück. Ein bisschen Zivilisation tut so gut!
    Nach dem Herumstöbern brauche ich eine Pause und suche eines der Restaurants auf, um ein Eis zu essen. Auch hier staune ich wieder, wie preiswert die Speisen der Eis- und sonstigen Karten sind. Als ich mit Genuss mein Banana-Split löffele, habe ich Zeit, mir die Leute an den anderen Tischen anzusehen. Hier sitzen Spanier als Familie, zu zweit oder seltener auch allein, und essen. Es herrscht eine lockere Atmosphäre, an fast allen Tischen findet eine Unterhaltung statt. Mir fällt wieder einmal auf, dass auf allen Tischen Brot steht — hier in Plastik verpackt — das in Spanien zu jeder Mahlzeit gegessen wird. Das Essen scheint hier gut und vor allem preiswert zu sein, wie ich an den Speisen auf den Tischen und beim Blick in die Speisekarte feststellen kann. Routiniert hatte ich meine Bestellung aufgegeben: »Uno Banana-Split, por favor«, und ebenso routiniert bitte ich nun um die Rechnung: »La cuenta, por favor.« Also ein bisschen Spanisch habe ich hier durchaus gelernt. Offensichtlich dauert es im Ausland nicht lange, bis man die gängigen, fremdsprachigen Formulierungen innehat, da man diese ständig wieder benutzt. Das übt sehr, viel mehr als jeder Spanischkurs zu Hause.
    Frisch gestärkt mache ich mich nun auf den Rückweg und erwische natürlich prompt den falschen Ausgang. Das ist allerdings in diesem Labyrinth auch kein Wunder. Nichtsdestotrotz, »es führen viele Wege nach Rom« und offensichtlich auch viele zurück in die Altstadt. Nachdem ich zweimal gefragt habe, bin ich zwar auf einem anderen, aber auf einem richtigen Weg zur Kathedrale. Mein ursprünglicher Fehler entpuppt sich jedoch als Fügung des Schicksals, denn unvermittelt stehe ich vor den riesigen, bestimmt fünf Meter hohen Resten der alten Stadtmauer. Ich erreiche also Teile der Altstadt, die mir jenseits der Ladenzeilen bisher entgangen sind. Zudem habe ich, von der Anhöhe kommend, einen wundervollen Blick über die Altstadt. Bewundernd bleibe ich stehen, mache Fotos und bin völlig entzückt. Die Sonne scheint warm, und es hat heute noch nicht geregnet. Mir geht es so gut, dass ich es selbst kaum fassen kann.
    Viele Gassen führen mich zurück in Richtung Altstadt, und ich bewundere wieder einmal, wie die Spanier den Kompromiss zwischen der Altstadt mit Straßen von drei Metern Breite zwischen den Häuserzeilen und den Autos gefunden haben. Die Straßen sind eben, voll gepflastert, haben keine Fußsteige, und die Autos fahren, wann immer es nötig ist, dazwischen. Jedoch gibt es keinen Schilderwald, der alles regelt, wie bei uns in Deutschland, und es funktioniert trotzdem. So einfach kann das Leben sein, wenn man es nicht zu kompliziert macht.
    Es dauert also nicht lange, und ich komme zurück in die Bereiche der Altstadt, die ich schon kenne,
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