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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Autoren: Anna Malou
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und ich war dabei viel glücklicher als so oft sonst in meinem Leben. Die Wertigkeit verändert sich, denn nicht der »Tand« macht das Leben lebenswert, sondern die Natur und die Menschen um uns herum. Nie in meinem Leben habe ich solch eine Freiheit verspürt wie dann, wenn ich grenzenlos weit über das Land sehen durfte. Für mich war es Glück pur, die Blumen am Wegesrand über Wochen täglich betrachten zu dürfen. Oft habe ich mich wie der Entdecker Amerikas persönlich gefühlt, ich war aufgeregt und habe jedem neuen Tag entgegengefiebert.
    Täglich musste ich eine neue Unterkunft finden, und immer habe ich es gut hinbekommen. Welch ein stets wiederkehrendes Erfolgserlebnis! Ich habe gelernt, dass die Zimmer am Ortseingang, in der Hauptstraße, am teuersten sind und habe gelernt, in den Nebenstraßen die billigeren und zum Teil besseren Unterkünfte zu finden.
    Für den Transport des Rucksackes im Flugzeug gibt es Mikrofaserbeutel zu kaufen, die dafür sorgen, dass die Trageriemen des Rucksackes nicht abreißen können.
    Mit jedem Mal wurde es leichter, Fremde anzusprechen, um Hilfe zu bekommen oder nach dem Weg zu fragen. Das Jonglieren mit verschiedenen Sprachen war oft gar nicht mehr so schwierig, die Übung machte es einfach möglich.
    Das Leben, das zu Hause oft so sehr geregelt und vorgegeben ist, war auf meinem Weg ganz einfach: Ich habe Pause gemacht, wenn ich die Pause brauchte, habe gegessen, wenn ich hungrig war, und meine Regenkleidung hervorgeholt, wenn es regnete. Das alles machte mir nichts aus. Ich habe geschwitzt und gefroren, war müde und hatte Muskelkater, war fröhlich und traurig, aber fast immer nach den körperlichen Anstrengungen sehr zufrieden mit mir, meinem Leben, mit der Welt. Offensichtlich tut vor allem die Bewegung in der frischen Luft, in der Natur, der Seele gut. Auch ist es sehr spannend, seine eigenen Grenzen auszutesten: Am Anfang war ich nach knapp zehn Kilometern schon müde, später konnte ich ohne Probleme zwanzig Kilometer und mehr laufen. Ansonsten hatte ich keine Rückenschmerzen vom Rucksack, und meine schmerzenden Füße haben sich stets nach einer Stunde Pause wieder regeneriert. Eine große Hilfe beim Laufen waren mir meine Walking-Stöcke, zweifach verstellbar, sodass sie beim Transport in meinen Rucksack passten. Sie erleichterten mir vor allem bei Auf- und Abstiegen das sichere Laufen.
    Auch habe ich für mich erlebt, dass Distanz Nähe schafft, denn nach dieser langen Zeit erscheint mir mein Zuhause wieder sehr erstrebenswert, fehlen mir meine lieben Menschen zu Hause doch sehr. Vieles weiß man offensichtlich erst zu schätzen, wenn man es nicht (mehr) hat. So werde ich meinen häuslichen Komfort zu Hause unglaublich genießen, nachdem ich jetzt so lange improvisiert gelebt und gewohnt habe. Auch habe ich gelernt, dass der Mensch sehr anpassungsfähig ist, denn ich habe es mir nach den ersten Niederlagen zur Gewohnheit gemacht, in jedem neuen Ort, in dem ich wohnte, den Namen und die Straße der Unterkunft, in der ich war, zu notieren, um so sicher zu sein, dass ich diese parat hatte, falls ich nachfragen musste.

Nachwort

    Neben diesen vielen praktischen Überlebenstipps nehme ich aber noch viel mehr mit nach Hause: Ich habe Menschen getroffen aus aller Welt und viele Gespräche geführt und Lebensanschauungen kennengelernt. So nehme ich die Gewissheit mit, dass ich nicht der einzige Mensch auf der Welt bin, den es mit Hunger nach Leben, Abenteuer und neuen Erfahrungen nach draußen in die weite Welt treibt.
    Vielmehr sind es Tausende von 16 bis 84 Jahren, die zu Fuß oder per Fahrrad das tun, was ich begonnen habe. Unter ihnen reisen die meisten — auch Frauen — allein, laufen oder fahren in ihrem zeitlichen und körperlich machbaren Rhythmus, und die meisten von ihnen kommen an. Offensichtlich sind die meisten Menschen auch in der Lage dazu, das zu tun, was sie wirklich wollen.
    Gelernt habe ich auch, dass das Leben nicht immer planbar ist, dass es so manches Mal notwendig ist, zu improvisieren. Ich habe viel Vertrauen in meine Fähigkeit gewonnen, Schwierigkeiten lösen zu können, Zufälle zu leben und einfach so manches Mal Dinge auf mich zukommen zu lassen.
    In dieser Auszeit für mich bin ich bescheidener geworden und habe erlebt, dass so vieles, das ich in meinem sonstigen Leben habe, eben nicht so selbstverständlich und vielleicht auch nicht so wichtig ist, wie es mir sonst erschienen war. Ich fühlte, dass weniger oft mehr ist und Freiräume
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