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Wenn ich einen Wunsch frei haette

Titel: Wenn ich einen Wunsch frei haette
Autoren: Deborah Ellis
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die Politik ihrer Regierung, die sie wahrscheinlich in anderen Zusammenhängen kritisieren würden. Diese Anklage ist für die Verweigerer (refuseniks), die schon in ihrer eigenen Gesellschaft unter großem sozialen Druck stehen, kaum auszuhalten. Sie haben eher
Dankbarkeitsbezeugungen
der Palästinenser für ihre mutige Opposition erwartet und sehen sich nun auch von denen, die sie verteidigen wollen, unter Anklage gestellt. Diese wiederum sind schockiert, wenn sich ihr Gesprächspartner aus Israel als Soldat »outet«. Diese Gefühle werden dann in abendlichen Sitzungen ohne die jeweils andere Gruppe ausgetauscht. Die zeitweilige Perspektivenübernahme der |168| Sicht der »Anderen« lässt ansatzweise einen
Verständnisprozess
beginnen.
    Nach ein paar Tagen erhält das einheitliche
Erscheinungsbild
der Palästinenser Risse. Besonders einige Frauen spüren bald, dass sie ihr persönliches Elend besser ohne den Gruppendruck und die vorgestanzten Sprachregelungen über »die Leiden des palästinensischen Volkes« mitteilen können. Sie entziehen sich der autoritären Struktur oder opponieren offen dagegen. Die ersten Annäherungen und Freundschaften entstehen in der Regel zwischen Frauen, bei den Männern dauert es länger, bis sie den Panzer ablegen können.
     
    E ines der wichtigsten Themen für die meisten
palästinensichen
Jugendlichen ist ihre Angst vor den Angriffen der israelischen Armee, die völlig überraschend kommen, und sie deshalb zur ständigen Wachsamkeit zwingt. Fast alle haben Angriffe durch Panzer oder Bombardierungen aus der Luft erlebt. In fast allen Familien oder Dörfern hat es Verletzte und Tote gegeben. Überall sieht man zerstörte Häuser.
    So kommt es vor, dass die Jugendlichen aus dem Raum laufen, wenn im Rheinland zufällig ein Hubschrauber zu hören ist, bei Gewitter zucken sie angstvoll zusammen.
    Ein Teilnehmer aus Bethlehem beschrieb das Haus seiner Familie so: »Vor einem Jahr hat sich das Kanonenrohr eines israelischen Panzers durch die Hauswand über dem Herd in die Küche gebohrt. Wir hätten den Soldaten auch die Tür geöffnet. Aber da trauen sie sich nicht durch, lieber rammen sie Löcher in die Wand.« Nach der ergebnislosen Durchsuchung des Hauses wollten sich die Soldaten zurückziehen |169| , doch der Panzer steckte fest. Auch drohte das Haus einzustürzen, wenn das Rohr zurückgezogen würde, So einigten sich die feindlichen Lager, das Kanonenrohr abzusägen und stecken zu lassen. Es diene jetzt als eine Art Dunstabzugshaube in der Küche.
     
    Selbstmordattentate und Bombardierungen – Terrorakte oder Selbstverteidigung?
    J eden Sommer wurden bisher die Annäherungsprozesse in den Seminaren jäh durch besonders gewalttätige Angriffe gestört. Besonders bei Gruppen aus Nablus ist es schon häufiger passiert, dass während der Seminare TeilnehmerInnen die Nachricht über getötete Angehörige oder Freunde erhielten. Der Bericht vom ersten Tag der ersten Freizeit im Sommer 2002 beginnt so:
    »Der erste Tag begann mit einer ›Aufwärmphase‹ durch sozialpädagogische
Vertrauensspiele und einen
Jonglageworkshop. Mitten in die sich vorsichtig öffnende Stimmung platzte die Nachricht vom israelischen Luftangriff auf einen Hamas-Führer in Gaza, bei dem fünfzehn Kinder und Erwachsene getötet wurden, darunter auch die Cousine einer Teilnehmerin.
    Die palästinensische Gruppe richtete einen Trauerraum ein und zog sich zurück, die israelische setzte sich betroffen und ratlos zusammen. Zur Überwindung der Lähmung trugen vor allem zwei Drusen, Angehörige einer kleinen, aus dem Islam entstandenen Religionsgemeinschaft, bei. Beide waren israelische Staatsbürger. Die Israelis gingen |170| mit unsicheren Mienen zu der Trauerfeier. Die
PalästinenserInnen
nahmen die anderen verhalten auf. Die zunächst etwas gespannte Stimmung löste sich allmählich in einem innigen mitfühlenden Zusammensein. Als Abschluss des Rituals tranken alle einen Schluck starken, schwarzen, mit Kardamom gewürzten Kaffee. Das war für alle Beteiligten ein aufwühlender Einstieg in die Diskussionen, die dann von dem Bemühen um Verständigung geprägt waren …
    In der zweiten Woche des Seminars kam die Revanche für den Angriff in Gaza, nämlich ein Attentat in der Hebrew University in Jerusalem. Einige der jüdischen und arabischen Israelis studieren dort. Die betroffene Cafeteria ist ein Treffpunkt arabischer Studenten. »Warum ausgerechnet dort?«, fragte eine palästinensische
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