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Wenn es daemmert

Wenn es daemmert

Titel: Wenn es daemmert
Autoren: Zoe Beck
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bis das Summen in ihren Ohren nachließ und keine Heerscharen von Sternschnuppen mehr vor ihren Augen herunterfielen, bis die Dunkelheit in ihrem Kopf aufhörte, sich zu drehen, und die Badewanne keine Nussschale mehr auf offener See war.
    Sie stellte sich hin, hielt sich aber noch fest, denn der Boden wankte hinterhältig. Eine Hand legte sie auf das Waschbecken, die andere auf den Wannenrand. Vor dem Milchglasfenster hing eine weiße Gardine, und hinter dem Fenster wurde es noch ein klein wenig heller. Hell genug, um zu erkennen, was sie schon die ganze Zeit wusste, aber nicht erklären konnte: Dies war nicht ihr Badezimmer.
    Sie kletterte in die Wanne, ihre Knie knickten ein, und sie setzte sich hin. Sie duschte sich im Sitzen ab, drehte dabei das Wasser immer heißer, bis sie es nicht mehr aushielt. Noch ein bisschen mehr, und ihre Haut würde Blasen schlagen.
    Goldene Wasserhähne, dachte sie, auch wenn sie sie nicht richtig sehen konnte. Dann dachte sie an das Erbrochene und überlegte, warum sie solche Schmerzen hatte, aber diese Gedanken wollten nicht den ganzen Weg gehen, nahmen eine Seitenstraße, verliefen sich in Sackgassen, kehrten wieder um und verschmolzen mit den goldenen Wasserhähnen.
    Als sie den Duschvorhang wegschob, sah sie wieder den Nebel und bekam Angst vor dem toten Raben, bis sie begriff, dass es nur Wasserdampf war und alles andere ein Traum. Sie wischte den beschlagenen Spiegel nicht frei, wozu auch, es war zu dunkel. Sie wusste nicht, wo hier ein Lichtschalter war. Wo hier überhaupt irgendetwas war. Wo   hier   war.
    Als Nächstes suchte sie Handtücher und fand keine. Vielleicht draußen. Langsam und leise öffnete sie die Tür. Sie wollte nicht, dass jemand sie hörte, obwohl sie nicht wusste, wer da sein könnte, um sie zu hören. Oder warum es nicht gut war, gehört zu werden.
    Draußen war es totenstill. In ihren Ohren rauschte es dumpf. Sie ging den Flur entlang, die Schmerzen ließen nur vorsichtige Schritte zu. Durch das Fenster am Ende des Gangs sah sie, wie ein dunkelblauer Himmel versuchte, sich von schwarzen, hohen Bäumen abzuheben. Die Äste bewegten sich ganz leicht, als wollten sie den Himmel dirigieren.
    Alle Türen, die von dem Flur abgingen, waren geschlossen. Sie wusste nicht, was sich hinter den schweren, dunklen Holztüren befand, wusste nur, dass es schwere, dunkle Holztüren waren. An den Wänden hingen Ölgemälde, doch nur die vergoldeten Rahmen traten eitel aus dem Dämmerlicht hervor, die Leinwände wollten nicht gesehen werden und drückten sich in den Schatten.
    Sie hinterließ kleine Wasserpfützen, während sie sich langsam vorarbeitete. Sie fror jetzt wieder. Verdunstungskälte, dachte sie und wunderte sich, während sie die Treppe hinunterging, über diesen Gedanken. Auf der Hälfte blieb sie stehen, direkt vor einem der Ölbilder, und starrte es so lange an, bis sich die Leinwand aus der Dunkelheit hervortraute. Ein blasser Mann mit dunklem Spitzbart starrte zurück, nein – knapp an ihr vorbei. Als gäbe es hinter ihr etwas Wichtiges zu sehen. Sie konnte nicht anders und drehte sich um, aber sie sah nichts.
    Sie ging hinunter in eine Halle, fand einen Schalter, klickte ihn nach oben, dann wieder nach unten. Die Dunkelheit blieb.
    Es roch komisch, aber sie kannte den Geruch nicht. Die Haustür war nur angelehnt. Vielleicht kam der Geruch von draußen. Sie versuchte, sich zu orientieren, ohne darauf zu achten, wo ihre Füße Halt fanden. Sie stolperte. Sie fing sich, trat in etwas Klebriges, Feuchtes.
    Nicht schon wieder, dachte sie, hab ich hier auch hingekotzt? Roch es deshalb so komisch? Nein, es roch anders. Sie wollte sich hinknien und nachsehen, worüber sie gestolpert war, als sie der Strahl einer Taschenlampe ins Gesicht traf.
    Die Tür. Jemand musste die Tür leise aufgedrückt haben. Sie hatte nichts gehört. Sie stand nur da und bewegte sich nicht. Dachte daran, dass sie Schmerzen hatte. Fühlte sich so elend, dass sie sich wieder hinlegen wollte, gleich hier auf den Boden. Der Lichtstrahl wanderte an ihr herab. Sie folgte ihm mit den Augen, dachte: Ich bin immer noch nackt, ich wollte doch ein Handtuch holen. Bis der Lichtstrahl an ihren Füßen angelangt war und sie sah, was das Klebrige, Feuchte unter ihren Füßen war. Kein Erbrochenes, sondern Blut. Es sickerte aus dem, was vor ihr lag. Es war nicht der Rabe aus ihrem Traum. Das Rauschen in ihren Ohren wurde lauter, das Licht der Taschenlampe verdunkelte sich.
    Der Mann hinter der
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