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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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sie Charlotte mir geben. Sie ist ein Mischling, und sie werden vielleicht denken, dass sie bei einer weißen Familie besser aufgehoben wäre. Und … seien wir doch mal ehrlich, ich werde auch nicht jünger, und ich bin mir nicht sicher, ob ich dem Kind auf lange Sicht die beste Pflege geben kann.«
    Gemma fühlte sich, als hätte sie einen Tritt bekommen. »Soll das heißen, du willst sie nicht nehmen?«
    »Nein, nein, das habe ich ganz und gar nicht gemeint«, erwiderte Betty. »Ich mach mir bloß Sorgen. Ich muss mir das wirklich gut überlegen, ob ich noch ein Kind großziehen soll - und was das Beste für sie ist. Sie ist was Besonderes, dieses Mädchen. Sie hat mehr verdient, als ich ihr geben kann.«
    »Aber Betty, niemand könnte mehr tun -«
    »Ruf mich einfach an, sobald du was hörst«, unterbrach Betty sie und legte auf.
    Gemma starrte das Telefon an, und ihr schwirrte der Kopf. Sie hatte gedacht, wenn sie Charlotte nur vor ihrer Familie bewahren könnte, wäre dem Kind eine Zukunft in Geborgenheit und Sicherheit garantiert.
    Aber wenn Betty Charlotte nicht zu sich nähme …
    Dabei konnte Gemma Bettys Bedenken durchaus verstehen. Betty hatte schon sechs eigene Kinder großgezogen, und in ihrem Alter noch einmal die Verantwortung für ein weiteres Kind zu übernehmen wäre eine große Herausforderung.
    Und dennoch … Gemma schüttelte verzweifelt den Kopf. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Charlotte in den Mühlen des Fürsorgesystems verschwinden sollte.
    Als ihr Handy erneut klingelte und sie am Display sah, dass es Kincaid war, meldete sie sich mit etwas zittriger Stimme.
    »Alles in Ordnung, Schatz?«, fragte er.

    »Doch, alles klar«, sagte sie. Sie konnte ihm noch nicht erklären, was sie bedrückte, weil sie sich erst einmal selbst über alles klar werden musste. »Haben sie etwas gefun-«
    »Noch habe ich nichts gehört. Aber ich habe eine nette Überraschung für dich. Ich hatte einen Anruf vom Drogendezernat. Wir treffen uns vor Gail Gilles’ Wohnung in Bethnal Green - komm, so schnell du kannst.«
     
    Melody bestand darauf, sie zu begleiten. »Ich sitze auf glühenden Kohlen wegen Alexander«, erklärte sie, »deshalb bringe ich sowieso nichts Vernünftiges zuwege. Und wenn es um Charlotte geht, will ich es auch wissen.«
    Während der Fahrt berichtete Gemma ihr von ihrem Gespräch mit Betty.
    »Ihre Bedenken sind verständlich«, meinte Melody. »Und sie hat vielleicht recht, was die Kriterien der Unterbringung in Pflegefamilien betrifft. Aber Sie können ohnehin nichts unternehmen, solange Sie nicht wissen, welchen Standpunkt das Gericht einnimmt und was mit Gail Gilles los ist. Und Sie sind sicher, dass Duncan nicht verärgert klang?«
    »Ganz sicher. Ich hätte fast schwören können, dass er sich ins Fäustchen gelacht hat.«
    Doch als sie um die letzte Kurve bogen und Gemma die Streifenwagen mit flackerndem Blaulicht vor Gail Gilles’ Sozialsiedlung stehen sah, machte ihr Herz einen Satz. »Was zum -«, murmelte sie und sprang aus dem Wagen.
    Dann entdeckte sie Kincaid, der schon auf sie zukam. »Was ist hier los?«, fragte sie, als sie sich trafen. »Ist jemand verletzt?«
    »Ja, allerdings«, antwortete er, und seine Mundwinkel zuckten. »Terry Gilles ist im Krankenhaus. Wie es aussieht, sind Kevin und Terry in ein kleines Handgemenge mit einer Bande von jugendlichen Bangladeschis geraten. Kevin und Terry haben sich in eine Bangladeschi-Siedlung gewagt und dort ihre
Ware an den Mann zu bringen versucht, und das hat den Kids dort gar nicht gefallen.
    Terry hat einen Messerstich abbekommen, und er dachte, er würde sterben. Eine Fleischwunde in der Seite, aber er hat geblutet wie ein Schwein. Offenbar war er auch ein bisschen neben der Spur, und er hatte das starke Bedürfnis zu beichten. Er hat dem Constable, der im Rettungswagen mitfuhr, alles haarklein erzählt, und Kevin hatte keine Chance mehr, Schadensbegrenzung zu betreiben.« Ein Grinsen breitete sich auf Kincaids Zügen aus. »Ich glaube, du musst dir keine Sorgen mehr machen, dass Gail Gilles oder Sandras Geschwister in absehbarer Zukunft das Sorgerecht für Charlotte bekommen könnten.«
    Gemma sah zu, wie zwei uniformierte Beamte mit Gail Gilles in der Mitte die Treppe herunterkamen. Zu ihrem pinkfarbenen Bademantel und den Leopardenpantoffeln trug sie als einzigen Schmuck ein Paar Handschellen.
    Gail war jedoch viel zu sehr damit beschäftigt, die Polizisten unflätig zu beschimpfen, als dass sie bemerkt
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