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Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t

Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t

Titel: Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
Autoren: peterson
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appellieren, als wenn wir eine einzelne Person an den Pranger stellen. Zu stellen versuchen, müsste ich sagen, denn die Dame verfügt über beste Verbindungen. Nein, Fräulein Schumann, mit der lege ich mich nicht an! Also, schreiben Sie es um oder nicht?«
    Dorothea presste ihre vollen Lippen zu einem Strich zusammen. Ihr Unmut entging ihm nicht.
    » Zu meinen Bedingungen oder gar nicht«, bekräftigte er nochmals, ordnete die Manuskriptseiten und reichte sie ihr über den Tisch. » Nun?«
    » Ich schreibe es um«, gab sie nach. » Obwohl ich es nicht richtig finde. Es war unglaublich grausam von ihr. Sie hätte es verdient gehabt, bloßgestellt zu werden.«
    Dünnebier ging darauf nicht ein. » Wie lange werden Sie brauchen?«
    Dorothea überlegte, was ihre Mutter für die nächsten Tage geplant hatte. Wenn Waschtag war, kam sie kaum zum Verschnaufen, geschweige denn zum Schreiben. Hatte sie nicht etwas von Leinen lüften erwähnt? » Zwei Tage, wenn es regnet. Vier, wenn die Sonne scheint.«
    Herr Dünnebier nickte. » Dann werde ich ›Das mitleiderregende Schicksal eines Dienstmädchens‹ für die übernächste Woche vorsehen.« Er zog die oberste Schreibtischschublade auf, hielt einen Moment inne, um dann kurz entschlossen den Deckel einer Schatulle zu heben. Metall klirrte leise gegen Metall. Gleich darauf schoben seine von Tintenflecken übersäten Finger ihr ein hell glänzendes Silberstück zu. » Ihr Vorschuss auf das Honorar«, brummte er. » Den Rest bei Ablieferung. Und jetzt habe ich noch zu tun. Guten Tag, Fräulein Schumann.«
    Solcherart abgefertigt stieg Dorothea die Stufen zur Straße vor den Kellerräumen der Dresdner Postille hinauf. Im blendenden Licht der Frühjahrssonne schien der frisch gepunzte Silbertaler noch heller zu funkeln als dort unten im Kontor. Nachdenklich drehte sie ihn hin und her. Mit einem Honorar hatte sie gar nicht gerechnet. Eigentlich hatte sie nur ihrer Empörung Luft machen wollen. Die Dresdner Postille war berühmt-berüchtigt für ihre libertinistische Tendenz und daher prädestiniert, ein Unrecht, wie es Grete widerfahren war, anzuprangern.
    Immer noch ballten Dorotheas Hände sich ganz wie von selbst zu Fäusten, wenn sie an Grete dachte: Die Geschichte der Kleinen war so banal wie traurig. Ihre Eltern, Taglöhner, schickten die Kinder in Stellung, sobald diese den Anforderungen der Dienstherren gerecht werden konnten. Auch Grete hatte am Tag nach ihrem zwölften Geburtstag ihr Bündel gepackt und war in die Stadt gewandert. Zuerst hatte niemand das knochige, schwächlich wirkende Kind in Stellung nehmen wollen. Deswegen war sie zutiefst dankbar gewesen, als sich endlich doch ein Haushalt fand, in dem sie als Spülmädchen aufgenommen wurde. Als rangniederstem Mitglied wurde ihr der Zwischenboden über dem Herd zugeteilt, ein im Sommer unerträglich heißer Ort, im Winter voller Ruß und Rauch. Trotzdem war sie zufrieden. Das Essen war knapp, aber immer noch reichlicher als daheim.
    Mit vierzehn hatte sie sich zu einem recht ansprechenden Mädchen entwickelt. Ansprechend genug jedenfalls, um das Interesse des heranwachsenden Sohns der Familie zu wecken. Anfangs war Grete nur geschmeichelt gewesen, mit der Zeit jedoch hatte sie sich wirklich in den schüchternen Jungen verliebt. Sie hatten begonnen, sich heimlich im Gartenpavillon zu treffen, und das junge Mädchen träumte bereits von einer märchenhaften Zukunft. Natürlich waren die Rendezvous auf Dauer nicht unbemerkt geblieben, und die Frau Geheimrätin hatte ihre eigenen Methoden, die unpassende Liaison zu beenden. Adalbert wurde quasi über Nacht auf eine Schule in Süddeutschland geschickt. Ein paar Tage später schlug die Köchin Alarm: Es fehlte ein halbes Dutzend der silbernen Sonntagslöffel.
    Nach langem Suchen wurden die sechs Löffel in Gretes Bündel gefunden. Wie energisch sie ihre Unschuld auch beteuerte– der Augenschein sprach gegen sie.
    Die Frau Geheimrätin ließ Grete die Wahl, entweder würde sie die Gendarmen rufen und ihr diebisches Hausmädchen festsetzen lassen. Oder Grete verschwand freiwillig und ließ sich niemals wieder in Dresden blicken. Eine solche Wahl war keine Wahl. Tränenblind war Grete mit nichts als ihrem schäbigen Bündel auf die Straße gestolpert. Ihren ausstehenden Lohn hatte sie selbstverständlich nicht ausgezahlt bekommen, und auch ihr Dienstbuch hatte die Frau Geheimrätin einbehalten.
    Als Dorothea auf sie aufmerksam geworden war, hatte sie am Elbufer gestanden
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