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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt
Autoren: Linda Lael Miller
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zunächst, streifte dann seine dicken Lederhandschuhe ab und erwiderte die Geste. »Mrs. Keating«, sagte er. Er verfügte über eine unerschütterliche Selbstbeherrschung, das spürte sie sofort, denn obwohl es ganz leicht um sein Kinn zuckte, wich er ihrem Blick nicht einmal aus.
    »Ich hatte meinen zukünftigen Mann erwartet«, sagte Evangeline. Es wäre sinnlos, lange um den heißen Brei herumzureden, dachte sie.
    Er seufzte und strich sich mit einer Hand durch sein wirres Haar. Wer immer er auch sein mochte, er brauchte jemanden, der sich um ihm kümmerte: sein Kinn und seine Wangen waren von einem dunklen Stoppelbart bedeckt, sein Haar war struppig, und sein Hemdkragen war verschlissen. Bestimmt hatte er auch Löcher in den Schuhsohlen und in den Socken.
    »Du solltest es ihr jetzt besser sagen«, riet Jacob, als er Wainwrights Jacke nahm und sich dann rasch zum Gehen wandte. Irgendwie erinnerte er Evangeline an einen Mann, der gerade eine Hand voll Schießpulver in ein Feuer geworfen hatte.
    »Ich hatte gehofft, das hättet ihr bereits getan«, erwiderte Scully seufzend. Er wandte nicht den Blick von Evangeline ab, als er sprach, aber ihm war anzusehen, dass er es gern getan hätte.
    Abigail war nun vorgetreten, stand dicht hinter Evangeline und umklammerte die Röcke ihrer Mutter.
    Jacob trat neben June-bug, die am anderen Ende des großen Raums am Herd stand. Sie sprachen leise miteinander, während sie Arbeiten verrichteten und so taten, als bemerkten sie das Drama nicht, das sich ganz in ihrer Nähe abspielte.
    Wainwright stieß einen weiteren tiefen Seufzer aus. »Big John ist nicht da. Im Moment gibt es nur mich, die Ranch und ein paar Rinder«, erklärte er.
    Evangeline überlegte, was es für sie bedeuten würde, nach Pennsylvania zurückzukehren, den gekränkten Mott zu überreden, sie nun doch zu heiraten, und spürte, wie der Mut sie derart schnell verließ, dass sie sich rasch auf eine der Bänke an den Tischen setzen musste. Abigail, die ihr jetzt nicht mehr von der Seite wich, schaute mit großen, erschrockenen Augen zu Scully auf.
    Er musste dem kleinen Mädchen wie ein Gigant vorkommen; selbst für Evangeline war er wie Goliath. Die Tatsache, dass er nur ein unfreiwilliger Bote war, änderte nicht viel daran. Evangeline begann allmählich einzusehen, dass sie und Abigail die lange, beschwerliche Reise für nichts und wieder nichts auf sich genommen hatten.
    »Was soll das heißen, Mr. Keating ist nicht hier?«, zwang sie sich zu fragen. »Er schrieb mir und bot mir die Ehe an. Er schickte mir sogar eine Bankanweisung ...«
    Wainwright hockte sich rittlings auf das Ende der langen Bank und stützte einen Ellb ogen auf die Tischplatte. June-bug kam mit einer dampfend heißen Tasse Kaffee, die sie schweigend vor ihm absetzte, bevor sie rasch wieder ging. »Ja, Ma'am, das weiß ich«, fuhr er fort. »Aber er musste geschäftlich in den Süden, und es wird länger dauern, als wir dachten. Er wird vermutlich bis zum Frühjahr nicht zurückkehren, so unpassierbar, wie die Wege sind.«
    Evangeline kannte den Zustand der Verkehrswege. Die Kutsche, die sie nach Springwater gebracht hatte, war kaum durchgekommen, und obwohl der Fahrer darauf bestanden hatte, nach einer warmen Mahlzeit und einem Pferdewechsel unverzüglich zur nächsten Station weiterzufahren, war nicht zu sagen, wann die nächste Kutsche Springwater erreichen würde. Laut Aussage der McCaffreys konnte es Wochen dauern, falls das Wetter sich nicht änderte.
    Trotzig schob Evangeline das Kinn vor und weigerte sich, ihre Empfindungen zu zeigen. Bis auf Abigail und ihren Stolz war ihr nichts mehr geblieben. »Und was bitte, wenn ich fragen darf, sollen wir bis dahin tun?«
    Seine breiten Schultern zuckten leicht, und jetzt wandte Mr. Wainwright seinen Blick für einen Moment lang ab. »Das Beste wäre wohl, wenn Sie mit mir auf die Ranch hinauskommen würden, Ma'am. Sie können sich dort einrichten und heiraten, wenn Big John im Frühjahr wieder heimkehrt.«
    Evangeline war erleichtert und entsetzt zugleich, da sie den Eindruck hatte, dass Mr. Wainwright seit der Abreise seines Partners ganz allein auf der Circle JW arbeitete und lebte. Es war eine Sache, eine Unterkunft zu haben, und eine andere, sie mit einem Fremden zu teilen, der zu allem Überfluss auch noch ein Mann war.
    Abigail, die bis dahin ganz ungewöhnlich still gewesen war, riskierte einen Blick um Evangeline herum und fragte: »Darf ich ein Pony haben? Ich hätte gern ein
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