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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt
Autoren: Linda Lael Miller
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»Keine Sorge, Ma'am. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Ihnen das zum Vorwurf machen würde. Ein Mensch kann schließlich nichts dafür, wenn er nördlich der Mason-Dixon-Linie geboren ist, nicht wahr?«
    Evangeline hatte das Gefühl, als wäre sie gerade höflich, aber entschieden auf ihren Platz verwiesen worden, obwohl kein Groll in Wainwrights Ton oder Verhalten zu erkennen war. Sie straffte ihre Schultern. »Und doch sind Sie hierher gekommen«, gab sie zu bedenken. Selbst ihr Atem schien in dieser klaren, kalten Luft zu Wölkchen zu gefrieren.
    Eins der Maultiere im Geschirr begann zu bocken, und er beruhigte es mit einem scharfen Pfiff. »Es war nicht mehr viel übrig von meinem Zuhause, als die Yankees mit uns fertig waren«, erwiderte er ruhig. »Mein Vater starb während des Krieges, als ich nicht zu Hause war, und soweit ich weiß, ist keiner meiner Brüder je zurückgekommen. Ich habe eine Zeit lang auf sie gewartet, dann alles bis auf meinen Sattel und meine Waffe gegen diesen Hengst getauscht und mich auf den Weg gemacht nach Westen. Eine Weile zog ich ziellos durch die Gegend, bis ich schließlich Big John in Colorado traf und beschloss, eine Partnerschaft mit ihm einzugehen und die erste Herde nach Norden zu treiben.«
    »Haben Sie Indianer unterwegs gesehen?«, warf Abigail neugierig ein.
    Scully lachte. »Eine Menge«, sagte er.
    Evangeline verdrehte die Augen.
    »Haben sie jemanden skalpiert?«
    »Abigail«, warnte Evangeline.
    Scully zwinkerte ihr zu, und erstaunlicherweise wärmte sie das mehr, als alle Bärenfelle oder Decken es gekonnt hätten. »Nein«, antwortete er. »Sie wollten nur ein bisschen Rindfleisch. Wir gaben ihnen ein paar Stiere, und sie zogen glücklich und zufrieden weiter.«
    Die Antwort schien Abigail zufrieden zu stellen, zumindest für den Augenblick. Sie kuschelte sich wieder in ihre Felle, aber Evangeline wusste, dass ihr Köpfchen schneller dramatische Situationen fabrizierte, als die nördlichen Munitionsfabriken Kugeln während des Konflikts gegossen hatten. Abigail war zu altklug für ein Kind in ihrem Alter, aber sie war nun einmal, was sie war. Sie las und rechnete seit ihrem vierten Lebensjahr und hatte ihren Namen sogar vorher schon geschrieben, und sie konnte mehr als zwanzig Gedichte und Bibelstellen rezitieren, die ihr Vater sie auf eigenen Wunsch gelehrt hatte.
    Zum ersten Mal seit vielen Wochen gestattete sich Evangeline, an Charles zu denken. Sie hatten nie eine Bilderbuchehe geführt; Charles hatte Clara, seine erste Frau, vergöttert, und obwohl er immer gut zu Evangeline gewesen war, war sie mehr eine Kameradin als eine Ehefrau für ihn gewesen. Er neigte dazu, zum fernen Horizont hinüberzu starren, vor allem, wenn die Sonne unterging, als erwartete er, Clara dort zu sehen, und er hatte Evangeline so oft mit ihrem Namen angesprochen, dass sie begonnen hatte, darauf zu hören.
    Aber trotz allem war Charles ein guter, braver Mann gewesen, der keine großen Ansprüche stellte und nicht kleinlich war, und sie vermisste ihn jetzt sehr. Wenn sie die Uhr hätte zurückstellen können zu der Zeit vor seinem Tod, hätte sie es trotz des schrecklichen Krieges, der dazwischen lag, getan. Doch da diese Möglichkeit ihr versagt war, wie allen anderen Menschen, blieb ihr gar keine andere Wahl, als sich kühn in eine unsichere Zukunft zu begeben. Ohne Versprechungen und ohne Garantien.
    »Es wird schon nicht so schlimm sein«, riss Scullys ruhige Stimme sie aus ihren Überlegungen. »Big John mag zwar ein bisschen ungeschliffen an den Kanten sein, aber er ist kein schlechter Kerl.«
    Irgendeine namenlose Emotion erfasste Evangeline ganz unvermittelt; ihre Augen brannten, und sie schluckte hart, während sie gleichzeitig die schmalen Schultern straffte, um Haltung zu bewahren. »Trinkt er Alkohol?«, fragte sie mit einer Stimme, die zaghafter klang, als es ihre Absicht gewesen war.
    »Er trinkt einen Schluck Whiskey hin und wieder«, räumte Scully ein. »Hier draußen fühlt man sich oft einsam, und ein Schluck Whiskey macht es einem leichter. Sie brauchen aber keine Angst zu haben, dass er Sie schlagen wird, falls es das ist, was Sie fürchten. Big John hält sich sehr viel darauf zugute, dass er gut mit Damen umgehen kann.«
    Nun konnte Evangeline nicht anders, als zu lächeln, denn Scully sah plötzlich so aus, als ob er sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte.
    »Nun ja«, versuchte er sich zu berichtigen, »was ich damit sagen wollte, ist...«
    Sie
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