Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte
Autoren: Otto Basil
Vom Netzwerk:
oder RAD-Truppführers anerkannt worden; ein Dienstgrad, der ihm übrigens auch als Schriftwart seiner Fachschaft gebührte.
    Der weite, windige Vorplatz tat sich vor ihm auf. Knirschender Kies. Die geometrisch angelegten Rasenflächen waren jetzt graubraun und unansehnlich. Links und rechts Schuppen und Pferdeställe, die als Burggemäuer getarnt und von Efeu überwachsen waren. Er ging an dem klaffenden Maul einer Remise vorüber, in deren Tiefe die vernickelten Nasen von Eyckes Limousinen glitzerten; der Hausherr fuhr selbstverständlich die Marke und Farbe des Reichsführers ff. Daneben stand – Höllriegl durchpulste eine Welle schrecklicher Gespanntheit – der ortsbekannte meergrüne Opel-Kapitän, Frau von Eyckes Wagen, geschmückt mit den taktischen Zeichen des Schwarzen Korps. Ulla war daheim!
    Uralte Eichen stellten die sehr deutsche Kulisse. Auf einem Hügel, zu dem beiderseits Freitreppen emporführten, lag der Hochsite der Eyckes, im Prunkstil der Wilhelminischen Ära (imitierte Renaissance), mit Türmchen, Zinnen, Erkern, Blindgiebeln und ähnlichem Zierat. Rohziegelwerk und Sandsteinornamentik. Der Komplex hatte ursprünglich einem irrsinnig reichen Mann aus der Schaumweindynastie Springorum gehört; der letzte Besitzer vor den Eyckes war der Reichstreuhänder der Arbeit für die Saarpfalz gewesen, ein Herr Will Fette, der eine Zeitlang jeden Sommer wiedergekommen war, um die gepriesene Sole des Heilbades auf sich wirken zu lassen.
    Auf dem Flaggenmast vor dem Hauptgebäude hing ein schwarzer Wimpel mit dem weißen Reichsadler: die Bannfahne des Jungvolks. Faul flatterte sie im Wind. Höllriegl erinnerte sich, gehört zu haben, daß Ullas Tochter Erda bei den Jungmaiden Scharführerin war.
    Ein Lakai in Schwarz und Falb verbeugte sich vor dem Gyromantiker, der, nun wieder stramm zusammengerissen, federnden Schrittes die Terrasse betrat. Es war ein knochiger, flachsblonder, fast weißhaariger Mensch mit Adlernase und hervortretendem Adamsapfel, von albinohaftem Äußeren und aristokratischer Haltung – vermutlich dem alten Adel zugehörig, der bei den neuen Herren Dienste verrichten durfte. Die Halle lag im Halbdunkel, und die ans Tageslicht gewöhnten Augen konnten fürs erste nicht viel ausnehmen. In einer fernen Ecke saßen zwei Männer, Hut auf, an einem Tisch und tranken Bier aus Humpen. Sie verstummten, nahmen jedoch von dem Eintretenden keine Notiz. Höllriegl schien es, daß sie fleischige, rote, brutale Gesichter hatten.
    Der Albino sagte mit angenehm lispelnder Stimme: „Frau von Eycke ist nicht zu Hause. Der Herr möge sich nach oben verfügen.“ Und mit einer Geste, die ausdrückte, daß Höllriegl ihm folgen solle, ging er voran.
    Die mit dunklem Holz getäfelte Halle war hoch and geräumig wie ein Hangar, Höllriegl kannte sie von seinem ersten Besuch. Riesige, unkenntlich gewordene Familienbilder, eins neben dem andern, bedeckten die Wände, als seien diese die Seiten einer Briefmarkensammlung. In den Nischen standen entweder mannshohe japanische Vasen oder klobige Neurenaissanceschränke, deren Füllungen sinnigerweise mit verblaßten, auf Seide gemalten Chinalandschaften bespannt waren. Alles hier schien statuenhaft^ museal, zusammengetragen wie Beutegut, hatte theatralisches Unmaß und Anmaßendes. Das Fensterglas, bunt und bleigefaßt, Kriegsszenen darstellend (man konnte die „Dicke Berta“, Krupps Riesenmörser, erkennen), ließ das herbstliche Licht verbluten; die Holztreppe, auf der sie zu einem offenen Saal emporstiegen, war so breit, daß man bequem in Zehnerreihen hätte hinaufmarschieren können. Der labyrinthische Bau mit seinen Söllern, Altanen und Gängen war von oben bis unten mit bleichen Büsten und bronzenen Hermen vollgeräumt, mit Hirschgeweihen, ausgestopften Elchköpfen und Bärenhäuten. Auf den Kaminsimsen standen Modelle altertümlicher Hanseschiffe. Alles war von solider, betont konservativer Pracht; das Bestreben, Tradition und Reichtum zu zeigen und malerisch zu wirken, war nicht zu verkennen. Die Einrichtung erinnerte an eine in Architektur umgesetzte Wagner-Oper.
    Der Lakai ließ Höllriegl in dem halbrunden Vorraum allein, der zu Frau von Eyckes Privatgemächern führte. Er könne ungesäumt mit der Arbeit beginnen, niemand würde ihn stören. Falls er irgendwas nötig habe, möge er getrost klingeln („Getrost“ hatte das Fossil gesagt). „Frau von Eycke wird nicht so bald zurück sein, sie ist nach Tisch ausgeritten.“
    Das Mobiliar in Ullas
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher