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Weltraumpartisanen 14: Kurier zum Mars

Weltraumpartisanen 14: Kurier zum Mars

Titel: Weltraumpartisanen 14: Kurier zum Mars
Autoren: Mark Brandis
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glomm wie polierte Bronze das flache Gesicht seines Stellvertreters Pablo Torrente, eines gebürtigen Indianers; da leuchtete das stets ein wenig mokante Lächeln von Antoine Mercier, des Funkers; da ruhte auf gefalteten, wohlgeformten, schlanken Händen das Kinn meines griechischen Radarcontrollers Konstantin Simopulos; und schließlich zappelte da auf nervösem Sitzfleisch ein kleines rothaariges Männchen namens Enrico Caruso – unser aller Mutter und Vater und fürsorglicher Vormund in einer Person: der Koch.
    Im allgemeinen hatte ich meine liebe Not damit, Sonntag für Sonntag einen passenden Text zu finden, über den zu sprechen und nachzudenken sich lohnte; diesmal jedoch war mir das Thema geradezu zugeflogen. Die Aprilereignisse waren noch frisch und schmerzhaft, und der Abscheu, den ich seitdem mehr und mehr gegen gewisse neuartige Technologien und Techniken entwickelte, brach sich ungestüm Bahn. Das Wort eines zeitgenössischen, heftig diskutierten Theologen kam mir gerade recht:
    Das Maß des Menschen ist seine Demut vor der Schöpfung.
    Worauf ich mit diesem Ausspruch zielte, ließ sich mit eigenen Augen sehen, mit Händen greifen.
    Unter uns lag eine geplagte Erde mit einem radioaktiv verseuchten, verpesteten, unbewohnbar gewordenen Kontinent, Afrika: das tödliche Erbe einer gewissenlosen, rücksichtslosen und egoistischen Generation. Und eine ganze Armee von MOBs war seit einigen Wochen aufgeboten, um das Wiederbesiedeln der verlorenen Kornkammer zu ermöglichen.
    Wenn ich das eine Übel mit dem anderen verglich, vermochte ich nicht zu entscheiden, welches davon das kleinere war: die verantwortungslose nukleare Schuttanhäufung im 20. Jahrhundert – oder aber die nur am Erfolg orientierte, durch keine Moral gezügelte Art und Weise, mit der man ihr heute entgegentrat. Und Unbehagen befiel mich jedesmal, wenn ich den selbstgefälligen Reden der Politiker, Technokraten und Militärs lauschte, die alle Schuld abwälzten auf eine längst wehrlos gewordene Epoche, ohne sich einzugestehen, daß sie in neuer Form letztlich alte Fehler wiederholten.
    Was unter der Bezeichnung MOB – Mobil Operation Basis – zu verstehen war, prangte als Abbild in meinem Blickfeld: ein 52 Meter hoher Turm, ausgestattet mit einer Vielzahl von metallenen Greifern und schwenkbaren Saugrüsseln, mit einer schier unüberschaubaren Batterie von rotierenden, blinkenden Sensoren, Abtastern, Antennen und Radaraugen, montiert auf einen gewaltigen walzenförmigen, raupengetriebenen Rumpf.
    Eine simple Maschine? Nein, der MOB rangierte unter der wissenschaftlichen Bezeichnung Psychomechanismus: eine Maschine, die gelenkt wurde durch ein ihr eingesetztes menschliches Gehirn.
    Ich brauchte das Wort MOB nicht in den Mund zu nehmen. Jeder an Bord der Medusa begriff auch ohnedies, wovon ich sprach, als ich jenen Text zitierte, den ich kurz zuvor gelesen hatte:
    Hier und heute ist der Mensch aufgerufen, sich gegen das vom technologischen Standpunkt aus Machbare zu entscheiden und sich dafür einzusetzen, was seine Moral und seine Verantwortung für alle kommenden Generationen von ihm verlangen.
    Das nachfolgende Schlußwort stammte von mir selbst. Noch während ich es in Gedanken formulierte, begann das FK-Lämpchen zu flackern: für die Medusa lag ein dringender Funkspruch vor. Lieutenant Mercier warf mir einen Blick zu, der Nachsicht und Verständnis heischte, erhob sich und verließ auf Zehenspitzen die Messe.
    Ich sagte: »Vielleicht haben wir, die es gewohnt sind, unter den Sternen zu fliegen, den übrigen Menschen eines voraus: das Wissen um die Vielfalt und um die Unendlichkeit der Schöpfung, aber auch das Wissen um unsere Winzigkeit – die jedoch zugleich auch unsere Größe ist, sofern wir uns mit jenem Maß abfinden, das ich anfangs nannte: der Demut.«
    Ich klappte die Bibel mit dem darin eingelegten Zettel zu.
    »Meine Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.«
    Der Pflicht war genüge getan; darüber hinaus hatte ich mir einiges von der Seele geredet, das ich loswerden mußte, um nicht daran zu ersticken – Sorge und Unbehagen. Ich atmete auf. Und um vollends einen Schlußpunkt hinter das Thema zu setzen, ließ ich einen nicht sonderlich geistreichen Scherz vom Stapel: »Ladies and Gentlemen, es darf wieder getanzt werden.«
    Sergeant Caruso schoß in die Höhe.
    »Sir, ich habe da was anzubieten, wonach Sie sich – mit Verlaub – alle zehn Finger ablecken werden. Die Bezeichnung dafür ist …«
    Ich fiel ihm ins Wort,
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