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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß
Autoren: Stefan Wolf
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Frischer Haß lag zwar nicht an, aber er hatte noch genug vom alten. Und
natürlich gehörte es längst zu seiner — Berts — Gewohnheit: Kein Freitagabend,
ohne eine alte Oma fertigzumachen.
    Bruder und Schwester wohnten unweit vom
Hauptbahnhof, in einer Nebenstraße.
    Fast genau vor dem Haus — aber auf der
anderen Straßenseite, an einer bröckligen Hofmauer - war eine Telefonzelle.
    Hineingefläzt, schlug Bert das
Telefonbuch auf.
    Telefonterror — das war auch eine
seiner Maschen.
    Gut zum Haß rauslassen war das. Und
ungefährlich, denn dabei mußte er niemandem ins Auge sehen. Natürlich bestand
ein gewisses Risiko. Denn er lispelte leicht.
    In der Zeitung hatte er mal über
Telefon-Terror gelesen.
    Irgendeine alte Tucke hatte Anzeige
erstattet gegen Unbekannt.
    Bert rief nur alte Frauen an. Die Auswahl
war groß. Alle standen im Telefonbuch. Daß sie alt waren, erkannte er am
Vornamen.
    Erna, Grete, Martha, Liese, Berta,
Alma, Auguste, Wilhelmine, Elsbeth — wer so hieß, der war noch in einer anderen
Zeit geboren worden. Welche Eltern würden ihre Tochter heutzutage zu taufen?
Na, also!
    An diesem Abend entschied Bert sich für
Malwine — Malwine Schwarzhaupt.
    „Ja, bitte?“
    Eine brüchige Frauenstimme fragte,
nachdem es viermal geläutet hatte.
    „Frau Malwine Schwarzhaupt?“ lispelte
er.
    „Ja, bitte?“
    „Weißt du, Oma, was bald passieren
wird? Wir haben dich ausgewählt. Als unser nächstes Opfer. Du bist ausgewählt,
du alte Schlampe. Verstanden?“
    „Wer... spricht dort?“
    „Seit wann verraten wir unsere Namen?
Du wirst unser Opfer. Vielleicht brechen wir ein bei dir. Vielleicht wirst du
überfallen. Wir kennen dich.“
    „Ich... verständige... die Polizei.“
    Malwine klang, als ersticke sie.
    „Das nützt dir gar nichts, alte
Schachtel. Wir schlagen zu aus dem Dunkel. Wir...“

    Er stockte.
    Aus zwei Gründen: Am anderen Ende der
Leitung wurde der Hörer offensichtlich aufgelegt. Jedenfalls polterte
irgendwas. Und hinter Bert öffnete jemand die Tür der Telefonzelle.
    Stählerne Finger gruben sich in seine
Schulter.

5. Die Oma braucht Hilfe
     
    Tim, Karl und Klößchen radelten
Rekordzeit runter. Schließlich waren sie am Hauptbahnhof. Vorbei! Dann in der Armie-Gasse.
Die Adresse des brutalen Beinbrechers war Nr. 11: ein fünfstöckiges,
schmalbrüstiges Haus in der Häuserzeile.
    Gegenüber stand eine erleuchtete
Telefonzelle.
    Der Typ, der dort eintrat, war groß und
fleischig — unverwechselbar sein Froschgesicht.
    „Bert Hansen will telefonieren“, sagte
Tim.
    Sie hielten neben der Zelle.
    Bert drehte ihnen den Rücken zu. In
seiner Blickrichtung war die Straße leer.
    Der Typ wähnte sich allein, hatte
nichts bemerkt von den Jungs und empfahl seiner Stimme keinerlei Dämpfung.
    Sie hörten jedes Wort.
    Bricht einem Penner die Knochen — und Telefonterror
bei Malwine Schwarzhaupt. Tim spürte, wie sein Blut zu wallen begann.
    Klößchen, der den Rest seiner
Schoko-Tafel vertilgte, hätte beinahe gehustet.
    Um ganz sicher zu gehen, daß da kein
Scherz lief, ließen sie ihn ein bißchen reden. Dann riß Tim die Tür auf und
packte den Kerl.
    „Heh!“ Bert fuhr herum.
    „Schnauze, du Verbrecher!“ Tim stieß
ihn gegen die Seitenwand, die aus Glas war.
    Gleichzeitig riß der TKKG-Häuptling den
Hörer an sich.
    „Frau Schwarzhaupt?“ Er horchte.
    Die Leitung war noch offen. Aber keine
Antwort kam.
    „Frau Schwarzhaupt, hier spricht Tim —
eh — Peter Carsten. Wir haben den Kriminellen, der Sie eben bedroht hat. Also
keine Sorge! Wir... Hallo, antworten Sie doch!“
    War da ein schwerer Atem? Ein Stöhnen?
    Entsetzt fuhr es Tim durch den Kopf:
Vielleicht ist der Frau was passiert. Zusammenbruch — durch den Schreck?
    Immer noch bohrten sich Tims
Kampfkunst-Finger in die teigige Schulter.
    „Frau Schwarzhaupt! Hören Sie doch!“
    Tim ließ den Typ los und griff zum Telefonbuch.
    Die richtige Seite war aufgeschlagen.
    Malwine Schwarzhaupt, Enterding-Weg
20a.
    Das war doch... die Adresse... kannte
er die? ...war das nicht bei...
    „Karl, Enterding-Weg — weißt du, wo das
ist?“
    „Keine fünf Minuten von hier. Hinter
dem Konstantin-Kino-Palast.“
    Tims Ellbogen auf Berts Magen drückte
dem Typ die Froschaugen raus. Er ächzte.
    „Auf dich, Bert Hansen, kommen wir
zurück. Dein Opfer hat jetzt Vorrang.“
    Schon war Tim draußen und sprang in den
Sattel.
    „Schnell, Leute! Ich glaube, der Frau ist
was passiert. Mit Taufnamen Malwine scheint sie nicht die
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