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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß
Autoren: Stefan Wolf
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Haschisch.“
    „Wenn wir den Stoff verarbeitet haben“,
sagte Schreyle, „wer bringt ihn dann nach Dresden?“
    „Dein Job, Junge. Ich darf mich dort
nicht mehr sehen lassen. Irgendwer könnte mich erkennen.“
    „Ich heiße Jörg“, sagte Schreyle.
    „Ja, entschuldige. Das
,Junge’ rutscht mir so raus.“
    Und mir rutscht gleich der Fuß aus, dachte
Schreyle, und landet in deinem dicken Hintern.
    Immerhin — der farblose Mittdreißiger
hielt seine Miene im Zaum. Die Eisaugen blickten gleichgültig wie immer, die
Züge verrieten nichts. Er haßte Landers. Und eines Tages würde der’s spüren.
    Das Telefon klingelte.
    Landers streckte den Arm aus und nahm
den Hörer ans Ohr. „Ja, hallo?“
    „Hier Otto Pawelke“, kam es heiser
durch die Leitung. „Dr. Landers — sind Sie das?“
    „Äh, ja. Kenne ich Sie? Ihr Name sagt
mir nichts.“
    „Was? Ach so, Sie befürchten, man will
Sie reinlegen. Nein, ich bin’s wirklich. Ich rufe aus dem Krankenhaus an. Aber
ich bin allein. Niemand hört zu. Die haben mir das Bein eingegipst. Ich will
Ihnen nur sagen: Es ist anders gelaufen. Ein Bengel hat uns beobachtet.“
    „Ich weiß. Der war schon hier. Was der
behauptet! Alles Lügen.“
    „Sage ich doch. Alles Lügen. Ich
jedenfalls bleibe dabei: Mein Bein habe ich mir vor dem anderen Grundstück
gebrochen. Nicht bei Ihnen.“
    „Was ja auch der Wahrheit entspricht.“
    „Klar. Nur dachte ich mir, Sie könnten
auf meine Bezahlung vielleicht noch was drauflegen.“ Otto kicherte. „So was
stärkt mir das Rückgrat. Und das brauche ich. Mich werden die Bullen noch
fragen.“
    „Darüber läßt sich reden, Pawelke.
Rufen Sie mich an, aber nicht so bald. Denn offiziell kennen wir uns nicht.“
    Landers legte auf, grinste wie ein
Fettfleck auf neuer Krawatte und erklärte seinen Komplizen, was sich abgespielt
hatte mit Otto Pawelke.

7. Gestohlene Lebensjahre
     
    Irene Hansen — ein Namensschild neben
dem Klingelknopf. Es gab noch andere. Immerhin hatte das Haus fünf Etagen.
    Tim hatte geklingelt, erst höflich,
dann anhaltend, zuletzt ließ er den Knopf nicht mehr los. Aber der Erfolg war
Null.
    „Entweder er versteckt sich“, meinte
Karl, „vor uns und der Polizei. Und ist nicht hier in der Wohnung. Oder er ist
doch drin und stellt sich taub und tot.“
    „Tot genügt“, sagte Klößchen,
„Verblichene und Dahingeschiedene hören nicht mehr.“
    „Hör dir den Oberlehrer an“, lachte
Karl.
    Tim blickte die Armie-Gasse in Richtung
Hauptbahnhof entlang, weil sich von dort eine Frau näherte. Sie schien jung zu
sein und hatte sich ein Tuch um den Kopf gebunden. Blondes Haar hing in die
Stirn.
    Absätze klapperten. Die Frau kam näher.
Als sie die Jungs bemerkte, verzögerte sie den Schritt.
    Tim begriff: Sie wohnte hier, wollte
ins Haus.
    Er trat zur Seite und gab die Tür frei.
    Aus der Nähe hatte die Frau — sie
mochte Mitte Zwanzig sein — ein leidlich hübsches, aber auch gewöhnliches
Gesicht. Der Mund war nach unten gebogen — als sei sie chronisch miesepetrig.
    Sie schob den Schlüssel ins Türschloß.
    „Guten Abend“, sagten die drei wie im
Chor.
    Das war nicht böse gemeint. Aber die
Frau erschrak. Offenbar hielt sie die Jungs für Randalierer, Chaoten,
Hooligans, denn die Gesichter waren ja nicht so genau zu erkennen.
    Der Schlüssel fiel ihr aus der Hand.
    Tim bückte sich wieselschnell und hob
ihn auf.
    Dabei blitzte der Einfall auf.
    „Entschuldigung, sind Sie Irene
Hansen?“
    Sie nahm den Schlüssel entgegen.
    „Ja, bin ich.“
    „Wir wollen zu Bert.“
    „Habt ihr geklingelt?“
    „Nö, noch nicht.“
    Sie fiel darauf rein.
    „Seid ihr Freunde von ihm?“
    „Wir kennen ihn gut“, erwiderte Tim.
„Kann ich mit reinkommen? Bin auch gleich wieder weg.“
    Sie musterte ihn und kam dabei wohl zu
der Erkenntnis, daß er nicht aussehe wie ein Ganove. Sie nickte.
    Karl übernahm Tims Rennrad, und der
TKKG-Häuptling folgte Irene Hansen ins Haus.
    Zerkratzte Wände. Kein Fahrstuhl.
Ausgetretene Stufen im Treppenhaus. Irene Hansen stieg zum vierten Stock
hinauf.
    „Ein schrecklicher Altbau“, meinte sie,
„aber man muß ja froh sein, wenn man eine preisgünstige Wohnung findet.“
    „Ich wohne in der Internatsschule“,
erwiderte Tim. „Ist auch nicht komfortabler als hier, aber teurer.“

    „Ach, du bist Schüler. Na, mal einer
ohne Bomberjacke.“
    „Modisch bin ich nicht interessiert.“
    Sie lachte.
    Die Wohnungstür im vierten Stock — wie
auch in den andern Etagen
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