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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten
Autoren: Deon Meyer
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komplizierter. Vor allem Reisen.« Es würde nicht helfen, ihr zu erklären, dass ich wegen meiner Bewährungsauflagen
     keine Waffe tragen durfte.
    Ein Tisch wurde frei, und wir setzten uns. »Kaffee?«, fragte ich.
    »Bitte. Cappuccino, wenn möglich. Kein Zucker.«
    Ich stellte mich an, aber so, dass ich sie sehen konnte. Sie hielt ihre Bordkarte in der Hand und starrte sie an. Was dachte
     sie? Überlegte sie, welche Art von Schutz sie erwartete und ob Waffen dafür nötig waren? Oder was vor uns lag?
    Da sah ich ihn. Er konzentrierte sich sofort auf Emma. Schlängelte sich zwischen den Tischen hindurch. Groß, weiß, sorgfältig
     gestutzter Bart, senffarbenes T-Shirt, gebügelte |38| Jeans, Sportsakko. Anfang vierzig. Ich setzte mich in Bewegung, aber er war schon zu nah, um ihn zu bremsen. Er streckte eine
     Hand nach ihrer Schulter aus, und ich trat dazwischen. Ich packte sein Handgelenk und drehte seinen Arm nach hinten, drückte
     mein Gewicht gegen seinen Rücken, presste seines gegen die Säule neben Emma, aber ohne Gewalt. Ich wollte niemanden auf uns
     aufmerksam machen.
    Der Mann gab ein überraschtes Geräusch von sich. Er sah mich an. »Hey«, sagte er.
    Emma schaute auf. Sie war verwirrt, ihr Körper angespannt vor Angst. Aber sie erkannte den Bartträger. »Stoffel?«, sagt sie.
    Stoffel sah sie an, dann mich. Er versuchte, seinen Arm zu befreien. Er war stark, aber unkoordiniert. Ein Amateur. Ich blieb
     geschmeidig, gab ihm ein wenig Raum.
    »Kennen Sie ihn?«, fragte ich Emma.
    »Ja, das ist Stoffel.«
    Ich löste meinen Griff, und er entriss mir seinen Arm.
    »Wer sind Sie?«, fragte er.
    Ich blieb dicht an ihm dran, drohte ihm mit meinem Blick. Das gefiel ihm nicht. Emma stand auf und hob entschuldigend die
     Hand in die Luft. »Das ist nur ein Missverständnis, Stoffel. Schön, dich wiederzusehen. Bitte setz dich.«
    Stoffel war empört. »Wer
ist
dieser Typ?«
    Emma nahm seine Hand. »Komm und sag mir hallo. Kein Problem.« Sie zog ihn weg von mir. Er ließ es zu. Sie bot ihm ihre Wange
     dar. Er küsste sie schnell, als erwartete er, dass ich etwas Unberechenbares täte.
    »Kaffee?«, fragte ich in einem freundlichen Ton.
    Er antwortete nicht gleich. Er setzte sich, langsam und ernsthaft, sodass er seine Würde wiederherstellen konnte. »Ja, bitte«,
     sagte er. »Milch und Zucker.«
    Auf Emmas Gesicht lag ein winziges Lächeln, die Angst war vergessen. Sie warf mir einen flüchtigen Blick zu, als teilten wir
     ein Geheimnis.
     
    |39| Wir flogen mit einem Jet der SA Express Canadair mit fünfzig Plätzen nach Nelspruit. Ich saß neben Emma am Gang, sie hatte
     am Fenster Platz genommen. Das Flugzeug war fast voll. Es gab mindestens zehn Passagiere, die sich aufgrund ihres Alters und
     ihres offensichtlichen Interesses zu Emmas eingebildeten Gegnern zählen ließen. Aber ich hatte meine Zweifel. Jemand zur Beschattung
     in ein Flugzeug zu stecken ist overkill, denn man weiß ja, wo es abfliegt und wo es landet.
    Bevor wir starteten, sagte sie: »Stoffel ist Anwalt.« Ich hatte mich nicht zum Kaffee zu ihnen gesetzt. Es gab nur zwei Stühle
     am Tisch, und ich stand auch lieber, um besser sehen zu können und noch ein letztes Mal meine Beine zu strecken. Ich ging
     davon aus, dass Stoffel wissen wollte, wer ich war, und sie der Frage ausgewichen war.
    »Er ist ein guter Kerl«, sagte sie und setzte hinzu: »Wir sind mal ausgegangen, vor ein paar Jahren …« Mit Wehmut, die auf
     eine gemeinsame Geschichte hinwies. Dann zog sie das Flugmagazin aus der Tasche und klappte es auf.
    Stoffel, der Ex.
    Ich hatte etwas anderes vermutet – ich dachte, er sei ein Geschäftsfreund oder der Ehemann einer Freundin. Er war mir nicht
     erschienen wie die Art Mann, mit der sie sich abgab. Und ihr Umgang miteinander war so … freundlich; aber ich konnte es vor
     mir sehen: Sie trafen sich an einem der gesellschaftlichen oder kulturellen Wasserlöcher, wo sich die Reichen nach Sonnenuntergang
     zusammenfinden. Er war wortgewandt und intelligent, mit erkennbarer Selbstironie und einem Bündel Gerichts-Insidergeschichten,
     die er humorvoll vortragen konnte. Die Aufmerksamkeit, die er Emma zuwandte, wäre unaufdringlich gewesen, er hatte eine Art
     mit Frauen umzugehen, ein Rezept, das er in zwanzig Junggesellenjahren perfektioniert hatte. Sie würde das angenehm finden.
     Wenn er vier oder fünf Tage später ihre Nummer von einem gemeinsamen Bekannten bekommen hatte, würde sie sich erinnern, wer
     er
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