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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Autoren: Carola Herbst
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übernehmen zu können, hatte Stein taub und blind für derlei Wahrnehmungen gemacht. Seit der Zeit war er ständig auf der Hut gewesen. Er war stets korrekt und verhielt sich loyal, so dass im Laufe der Jahre zwar ein gespanntes, aber immerhin erträgliches Verhältnis zustande gekommen war. Stein hatte sich mit der Zeit so vollständig in das Räderwerk des Gutsgetriebes integriert, dass es ihm schier unerträglich geworden war, auch nur einen Tag nicht auf Hohen-Lützow zu sein.
    In guten wie in schlechten Zeiten – kam ihm plötzlich in den Sinn. Ja, er war verheiratet mit diesem Stück mecklenburgischen Landes und er wusste, er werde das Gut nur auf der Bahre in Richtung Kirchacker verlassen. Bei diesem beruhigenden Gedanken schlief er am Schreibtisch ein.
     

Hohen-Lützow
     
    Hermann Stein hatte – wie jeden Morgen in der arbeitsreichen Sommerzeit – bereits kurz vor der fünften Stunde heißen schwarzen Kaffee aus gerösteter Gerste in seine Feldflasche gefüllt. Den Sud aus Zichorienwurzeln mochte er nicht. Er schwor auf einfache Gerste.
    Nach der Einteilung der Feldarbeiter vor der Klingelscheune hatte er sein Pferd satteln lassen und war aufgesessen, um die Umsetzung seiner Anweisungen auf den Weiden, Wiesen und Feldern zu überwachen. Im Laufe der Jahre hatte er die Erfahrung gemacht, es sei sinnlos dem Oberschweizer mit würdevollem Auf- und Abschreiten auf dem Wirtschaftshof zu imponieren. Die Kühe verlangten von allein ihr Recht und wenn irgendetwas nicht stimmte, wenn anhand der sorgsam notierten Milchleistung pro Kuh und Tag Abweichungen festgestellt wurden, konnte sofort nach den Ursachen geforscht werden. Der Oberschweizer Gustav Fram war ein mürrischer alter Mann. Er hielt die Mägde und Knechte mit kurzen Anweisungen, die er zwischen zahnlosen Kiefern hervorquetschte, ständig in Bewegung. Stein konnte sich auf Gustav verlassen, der würde es niemals zulassen, dass es den Kühen an etwas mangelte.
    Bei den Feldarbeitern sah das anders aus. Stein hatte jeden Morgen penibel zu prüfen, ob auch alle Einlieger zur Arbeit erschienen waren. Selten ging dem Landmann die Arbeit leicht von der Hand. Egal, ob gut oder schlecht gearbeitet und geerntet wurde, hatte dies auf die Einkünfte der Landarbeiterfamilien keinen Einfluss. Die sprichwörtliche Erkenntnis, der Ritter bliebe immer reich und der Einlieger immer arm, bewahrheitete sich auch auf Hohen-Lützow sehr anschaulich, und das Jahr für Jahr. Auch wenn es auf benachbarten Gütern hin und wieder einen Ritter traf, der nur durch den Konkurs seines Besitzes Herr über angehäufte Schulden werden konnte, wollte unter den Einliegern des Grafen Klotz keine Häme aufkommen. Viele der älteren Landarbeiter kannten noch die Verhältnisse vor dem Dienstantritt Hermann Steins, wo noch Peitsche und Stock ihrem Fleiße aufgeholfen hatten. Deshalb empfand man die Verhältnisse auf Hohen-Lützow recht erträglich, nicht auszudenken, wenn der nächste Herr die Steinschen Gepflogenheiten abschaffte. Für Stein waren hängende Schultern und gesenkte Köpfe ein alltägliches Bild. Nicht selten gab es Ausfälle wegen Krankheit, Unfällen oder Geburten und manchmal hielt auch der Tod Einzug.
    Hermann Stein war kein gefühlloser Mensch, aber die Rechte seines Dienstherrn hatte er gegenüber den Leibeigenen durchzusetzen und das tat er. Schließlich ging es um das Wohl des Gutes, Skrupel waren da fehl am Platze, selbst nach elf Jahren gemeinsamer Arbeit.
     
    Franz erwachte in einem fremden Bett, auch die Zimmerdecke, zu der er hinaufblinzelte, hatte er noch nie gesehen. Das Linnen der Bettwäsche fühlte sich angenehm kühl an seiner Wange an. Er rekelte sich zufrieden. Wie üblich bei solchen Gelegenheiten griff er neben sich und tastete im Halbschlaf nach einem warmen Frauenkörper.
    Ein penetrantes Gebimmel in der Nachbarschaft und ein weiter entferntes Geräusch, das sich wie Klopfen von Metall auf Metall anhörte, brachte mit einem Male die Erinnerung an den gestrigen Abend zurück: Er war auf dem Gut. Seine plötzliche Anspannung verflog und wich dem Gefühl wohliger Geborgenheit.
    Er machte sich an eine Bestandsaufnahme seiner unmittelbaren Umgebung. Das Bett war zwar nicht weich, aber auch nicht so hart, als dass man es schneller als nötig verlassen wollte. Dennoch schwang er seufzend seine Beine auf den Boden und fühlte unter den Füßen etwas erstaunlich Weiches. Er hatte sofort das Bedürfnis, seine Zehen in die Wolle des Schaffelles zu krallen, das
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