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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht
Autoren: Nicola Förg
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Er brauchte nur eine Sekunde, um zu spüren, dass von
Pauli, Paulchen, seinem Bruder, nichts mehr übrig war. Paul redete wie ein
Wasserfall, ohne dass Karl etwas gefragt hätte. Er rechtfertigte sich für
früher und dafür, gefälschte Schnitzereien zu verkaufen. Interessant, dachte
Karl. Davon hatte er nichts gewusst. Der Sprechdurchfall seines Gegenübers
hielt an, und mehr und mehr begriff Karl, dass Paul eine Absolution erhoffte.
Paul, wo doch er, Karl, so dringend einer solchen bedurft hätte. Auf die Frage,
warum sie den Bass vergessen hatten, hatte Paul gleich eine Ausrede. Hansl und
Schorschi hätten nicht gewollt, dass sie ihn kontaktieren würden. Als er ihm
verbrüdernd auf die Schulter hieb und polternd lachte, zuckte Karl zurück. In
dem Moment lief ein getigerter Kater über den Weg und schickte einen langen,
nachdenklichen Blick zu den beiden Männern hinüber.
    »Ein Knochen vom
Rückgrat eines in der Neujahrsnacht gesottenen Katers verleiht Zauberkraft«,
sagte Karl.
    Paul starrte ihn an
und lachte lauter. »Glaubst du immer noch an Zauberkram und deine dämlichen
Kelten? Ja, wirst wohl nie erwachsen!«
    O doch, er war
erwachsen geworden. An einem Tag Ende August, als eine junge Frau einen Berghang
hinuntergestürzt war. Er war erwachsen gewesen, nach jenen vier Tagen und
Nächten in den Wäldern. Und erst recht, als sein Urteil verkündet worden war. O
ja, er war früh erwachsen geworden. Karl sah sich um und ging langsam zu einem
Hagebuttenstrauch. Er brockte eine Hagebutte und reichte sie Paul. Der schlug
sie ihm aus der Hand.
    »Du bist doch völlig
irr! Hast du Irrer Hansl und Schorsch getötet? So wie du diese
Alsbeck-Schlampe, dieses liederliche Mensch, das für jeden den Rock gehoben
hat, getötet hast? Du warst doch schon früher total irr. Ein irrer Idiot. Ein
irrer bayerischer Bauernschädel.«
    Da stach Karl zu.
Liederliches Mensch, das hätte er nicht sagen dürfen. Das nicht. Karl hievte
Paul auf den Stein, so wie die Druiden ein Opfer bringen. Er legte Mistel und
Eichenblatt auf seine Brust. Dann zog er seine Handschuhe aus und wollte gehen.
Im Umdrehen hörte er ein Geräusch, etwas war auf den kiesigen Boden gefallen.
Aus dem Mantel war es gefallen, ein Tier, ein geschnitzter Ochs. Er hob ihn
auf, und auf einmal sah er die Gesichter der Jungs von damals vor sich, und es
raunte überm Guggenberg: »Blutsbrüder der redenden Tiere. Die Unzertrennlichen,
Ochs, Esel, Schaf und Kamel. Wir sind Ochs, Esel, Schaf und Kamel. Wir haben
magische Fähigkeiten. Wir sind die Unzertrennlichen und unbesiegbar.«
    Voller Wut hieb er
sein zweites Messer in den Ochs und warf das geschnitzte Etwas weg. Dann hob er
die Hagebutte auf und ging. Wer an Neujahr eine Hagebutte isst, ohne ein Wort
zu reden, wird gesund. Noch ein Orakel, Orakel hatten immer Recht. Nein, Paul
würde nicht mehr gesund werden. Ein schwacher Lichtstrahl kam durch die feinen
Wolken, wie ein Zeigefinger aus Licht wirkte er. Karl sah nach oben. »Drohst du
mir, oder stimmst du mir zu?«

Glossar
    Liebe Leserinnen und
Leser, nein, das ist natürlich kein streng wissenschaftliches Glossar, und wie
bei allen Büchern bisher sind die Schreibweisen der Wörter immer auch ein
Kompromiss. Sie wissen schon, liebe Mundart-Freaks: Wie schreibt man »krachad«?
Nimmt man »kracherd« oder »krached«? Seien Sie gnädig, das »Glossar« soll
einfach dialektunkundigen Preißn aller Art, Muschelschubsern und Krabbenpulern
diese wunderbare kontext-sensitive Sprache mit all ihren Nuancen nahe bringen.
Und nicht zuletzt dient das »Glossar« ja auch einer allgäuerisch-bayerischen
Völkerverständigung, denn beidseitig des Lechs gibt es Ausdrücke, die einem auf
der jeweils anderen Seite doch wirklich sehr dubios vorkommen. In diesem Sinne,
pack mers!
    a Hoibe kaffn
(bayr.) – einen
trinken gehen, man kauft eine Halbe, man geht
nicht auf eine Halbe!
    allat (allg.) – immer, Füllsel, das fast in jedem
Satz passt
    blede Kachel
(bayr.) – blöde
Kachel, dummes Weib
    boinige Henna
(bayr.) – beinige
Henne, dürre Frau
    brocken
(allg./bayr.) –
pflücken
    das liederliche Mensch
(bayr.) – das Mensch,
Betonung auf das , Luder, Schlampe,
sehr beleidigend
    des isch kähl
(allg.) – das ist
cool/überraschend
    dettmoals – damals/ehemals
    Eher scho wia ned
(bayr.) – eher schon
wie nicht, die zweite bayerische
Philosophie
    Fiasa (allg.) – Füssen
    fiechtiger Brocka
(allg.) – roher
Klotz
    Fluckn (bayr.) – Schlampe, Luder
    Fuizbuam (bayr.)
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