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Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache
Autoren: S Kronenberg
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beleidigt, dann sieh doch zu, wie du nach Limburg kommst.«
    Der schwarze Ford Fiesta war ein Geschöpf des vorigen Jahrhunderts, von Schrammen und dezenten Beulen gezeichnet und unscheinbar genug, um keine Aufmerksamkeit zu erwecken, wenn er am Straßenrand parkte. Außerdem war der Wagen sparsam im Verbrauch und bisher immer zuverlässig. Vor allem, was die Elektrik betraf, wie sie beim Einsteigen nicht zu erwähnen vergaß. Arthur warf den Schirm auf den Rücksitz, in der Überzeugung, das Gewitter würde nicht lange auf sich warten lassen, und quetschte sich auf den Beifahrersitz, die langen Beine auf Storchenart zusammengefaltet. Den Pullover breitete er auf den Knien aus.
    Sie zog die Nase kraus. »Seit wann parfümierst du dich?«
    Er fingerte an der Rückenlehne herum. »Das Rasierwasser war ein Geschenk.«
    Sie verkniff sich die Frage, von wem, und nutzte eine Lücke im Verkehr, um schwungvoll auf die Taunusstraße einzubiegen. »Übrigens wäre ich mit dem Hebel vorsichtig …«
    Schon war die Rückenlehne umgeschlagen, und Arthurs Hinterkopf donnerte gegen die Holzkiste, in der Norma einen Stapel Bücher, zerrupfte Zeitschriften, die Digitalkamera für alle Fälle, volle und leere Wasserflaschen, eine angebrochene Flasche Rotwein samt Glas und weitere Utensilien aufbewahrte, die ihr ein oft stundenlanges Ausharren erleichtern sollten.
    Arthurs Arme ruderten in der Luft herum, bis er die Ablage zu fassen bekam und sich daran hochziehen konnte.
    »Wie war das mit der Zuverlässigkeit deines Wagens?«, murrte er und rieb sich den Hinterkopf.
    Norma bog in die Sonnenberger Straße ein und parkte den Wagen vor einer Ausfahrt, bis Arthur die Lehne wieder in eine stabile und rückenfreundliche Position gebracht hatte. Auf jeden weiteren Versuch, sich mehr Beinfreiheit zu schaffen, verzichtete er.
     

2
    Die Eule meldete sich erneut. Dieses Mal erklang der Ruf dicht über dem Wagen, bis er unvermittelt abbrach und das an- und abschwellende Rauschen der Autos, die zu dieser späten Stunde unterwegs waren, wieder in Normas Aufmerksamkeit rückte. Die grünen Ziffern am Armaturenbrett zeigten 12.13 Uhr an. Gegen 10 hatten sie in einem italienischen Restaurant in der Limburger Altstadt gegessen. Zuvor war Arthur mit dem Leuchtenverkäufer einig geworden, was eine Weile gedauert hatte, weil der Mann sich besser auskannte und hartnäckiger verhandelte, als Arthur erwartet hatte. Anschließend wollte er ihnen unbedingt seine Sammlung alter Kinoplakate vorführen; ein Angebot, dem Norma als leidenschaftliche Kinogängerin leichtfertig zustimmte, hatte sie doch nicht geahnt, wie ausschweifend ein stolzer Besitzer auf jedes Beutestück eingehen konnte. Der Vorgang wurde nicht eben dadurch beschleunigt, dass Arthur mehrere Telefongespräche mit Kunden führte.
    Als das Essen serviert wurde, schaltete er auf ihre Bitte das Telefon aus. Der Erwerb der Leuchten, wirklich seltene und gut erhaltene Stücke, die nun in einen Karton verpackt im Kofferraum verstaut waren, hatte ihn in beste Laune versetzt. Norma fühlte sich angenehm gesättigt von ›Linguine al Pesto‹. Besänftigt durch einen ›Winkeler Hasensprung‹, stellte sich eine unerwartete Vertrautheit ein, als wäre ihnen ein Sprung in die Vergangenheit gelungen, in der die Wochen und Monate des Streitens, der Zerwürfnisse und Versöhnungen und ihr Entschluss, ihn zu verlassen, weit weg waren. Das Gespräch drehte sich um Arthurs Geschäft, um die Kunden und jene früheren gemeinsamen Freunde, die nun, nach der Trennung, allein die seinen waren. Über die Scheidung fiel kein Wort. Keiner wollte die friedliche Stimmung zerstören.
    Noch während des Essens hatte es zu donnern begonnen, und als sie durch die steile Gasse hinunter zum Parkhaus eilten, kam Wind auf, und die ersten Tropfen fielen. Sie liefen die letzten Schritte und hatten kaum das Tor erreicht, da brach der Himmel auf. Der Verkehrsfunk meldete einen Stau auf der A 3, einer unfallträchtigen Strecke in Richtung Wiesbaden, und Arthur schlug vor, für den Rückweg die Hühnerstraße zu nehmen und über Taunusstein und die Höhe der Platte zu fahren. Der Regen prasselte gegen die Frontscheibe. Die Musik war kaum zu verstehen. Arthur stellte den Ton lauter und summte mit. Joe Cocker besang die Vorzüge der Freundschaft.
    Die Hühnerstraße führte abwechselnd durch Wald und Feld, hin und wieder durchquerten sie ein Dorf. Norma fuhr langsam, achtete auf den Verkehr und hing dabei ihren Gedanken nach. Zwei
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