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Weinrache

Weinrache

Titel: Weinrache
Autoren: S Kronenberg
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Mal mit von der Partie sein. Er wollte die ›Villa Stella› für das Restaurant pachten, das Arthur im Stil der 20er-Jahre einrichten sollte. Bruno war der geeignete Mann für ein Restaurant der gehobenen Klasse. Er besaß bereits eine Weinstube in der Altstadt und das Restaurant ›Parkhof‹ beim Kurpark. Seitdem kaufte Arthur auf Brunos Rechnung jedes Objekt, das auf irgendeine Weise mit der Bauhauszeit in Verbindung stand. Bruno sagte zu allem ja und Amen. Gäbe es noch Herrscher und Vasallen, Ritter Bruno wäre König Arthurs ergebenster Gefolgsmann. Bruno hatte sich von der Begeisterung der Freunde anstecken lassen und war Feuer und Flamme für das ›Marcel B.‹ Und er hatte für Pläne und Ausstattung inzwischen einen Batzen Geld ausgegeben, wie Norma von Arthur wusste.
    An der Wand über dem Freischwinger hing, in lichtem Ocker und sattem Umbra, ein abstraktes Ölgemälde, das sich, obwohl kein Jahr alt, unbekümmert in das von Antiquitäten beherrschte Umfeld einfügte. Ein weiteres Werk von Pablo Lobo; der kraftvolle Pinselstrich des Kolumbianers war ebenso charakteristisch wie seine Vorliebe für erdige Farbtöne. Pablo war ein Naturkind, eine ungeschulte Begabung. Arthur bewunderte den jungen Maler, dessen Persönlichkeit wie die Arbeiten, und setzte alles daran, Pablo Lobo in Deutschland und Europa berühmt zu machen. Norma gönnte dem Bild keinen zweiten Blick. Sie wich allem aus, das an Kolumbien erinnerte.
    Lieber atmete sie diesen betörenden Duft ein, der dem Ausstellungsraum eigen war. Eine unnachahmliche Verbindung von Möbelpolituren, ätherischen Holzölen und uraltem Staub, der auch Arthur anzuhaften schien und – wie sie bisweilen vermutete – der Auslöser ihrer Liebe zu einem Kunsthistoriker war. Der Geruch weckte auch die Erinnerung an ihren Vater, der sich als leidenschaftlicher Hobbyrestaurator in jeder freien Minute der Möbel angenommen hatte, die sich im Wechsel der Generationen auf einem niedersächsischen Bauernhof einfanden. Er starb, als Norma acht Jahre alt war. Als sie Arthur zum ersten Mal begegnete, war sie kurz zuvor von Bremen nach Wiesbaden versetzt worden. Während einer Fortbildung beim Bundeskriminalamt hatte sie die Stadt kennen und schätzen gelernt und durch eine glückliche Fügung die Stelle im Wiesbadener Kommissariat erhalten. Arthur war Zeuge in einem Kunstdiebstahl. Zwischen ihm und Jan Petersen, der der Grund dafür war, dass sie so dringend aus Bremen fort wollte, lagen Welten, und sie erhoffte sich von Arthur die Ausgeglichenheit und Beständigkeit, die Jan ihr nicht hatte geben können. Irgendwann wurde ihr klar, dass Arthurs vermeintliche Ruhe in der Bequemlichkeit wurzelte, und die behauptete Toleranz der Gleichgültigkeit entstammte. Doch auch sie kannte ihre Schwächen, wollte nicht über ihn urteilen, und so bemühten sie sich 10 Jahre lang, miteinander zu leben.
    Anders als erwartet, ließ er sich an diesem Abend nicht von Josef oder der Aushilfe vertreten. Ausstaffiert in der bevorzugten Kombination aus lässig und korrekt, in Edeljeans, einem dunkelblauen Leinenhemd und den handgearbeiteten Schuhen eines benachbarten Meisterbetriebs, trat er ihr entgegen. Das halblange graue Haar trug er zum Zopf geflochten. Arthur musterte Norma durch die Gläser der schwarzen Hornbrille. Eine Wolke Rasierwasserduft strich durch den Raum.
    Normas Begrüßung fiel knapp aus: »Du bist hier?«
    Er zog die schmalen Schultern hoch, griente spöttisch. »Falls dus vergessen hast: Mir gehört der Laden.«
    »Ich dachte, du bist unterwegs. Dein Auto steht nicht draußen!«
    Der Daimler sei in der Werkstatt. Wie so oft die Elektrik. Ein Montagsauto. Sein Lächeln wurde breiter. »Sag mal, musst du heute Abend spionieren? Vielleicht einen Ehemann auf verborgenen Wegen zu der Geliebten verfolgen?«
    Ihre Arbeit war das Letzte, mit dem sich Arthur beschäftigen wollte. Es hatte ihn nicht gekümmert, was sie als Polizistin getan hatte, ihre Aufgaben als Kriminalhauptkommissarin waren ihm gleichgültig, und erst recht wollte er nicht wirklich etwas über ihre Einsätze als Private Ermittlerin wissen. Ihr neuer Beruf schien ihm peinlich zu sein. Menschen zu observieren, das war in seinen Augen verächtlicher als das, was diese Leute ihren Opfern antaten: jungen Müttern, die keinen Cent vom Vater ihres Kindes bekamen, Arbeitgeber, die den Lebensstandard ihrer schwarzarbeitenden und krankgeschriebenen Mitarbeiter aushalten mussten, und die betrogenen Ehefrauen. Während er
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