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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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den Baum und schaute zu uns herunter.
    »Jetzt ist es raus«, sagte Elise. »Dass sie strickt, kann nur eins bedeuten.« Sie schaute erst Miles, dann mich an. »Veronica ist in anderen Umständen.«
    Sie veralberte ihn. Ich war nicht schwanger, und ich hatte auch nicht vor, es in absehbarer Zeit zu werden. Im Januar würde ich die Einstufungstests machen und mich bei vier Hochschulen bewerben.
    Mein Vater nickte und trank Kaffee. »Sehr witzig, Elise. Falls du dich je entschließen solltest, wieder zu arbeiten, könntest du als Comedian auftreten.«
    Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätte man meinen können, dass sie ihn gar nicht gehört hätte. Sie beugte sich vor und klopfte auf mein Knie. »Strick dir keine Socken, Schätzchen. Wenn du schwanger bist, gehst du bestimmt auch lieber barfuß.«
    Mein Vater nahm noch einen Schluck Kaffee und warf ihr einen düsteren Blick zu. »Schon okay«, sagte er. »Lach nur. Lach ruhig den Mann aus, der für dein College bezahlt hat.«
    Sie setzte Miles wieder auf ihren Schoß, ließ ihn ein bisschen auf und ab wippen und gurrte besänftigend. Seit das Baby da war, hatte sie sich verändert. Sie musste bei unserem Vater nicht mehr das letzte Wort haben. Wenn sie sich stritten, wie sie es immer getan hatten, kam es vor, dass sie plötzlich mittendrin aufhörte - so, als würde es sie langweilen. Wenn sie das machte, war häufig etwas in ihrem Gesichtsausdruck oder der Art, wie sie den Kopf schief legte, das mich an unsere Mutter erinnerte. Vielleicht nahm Elise Gesten und Angewohnheiten von ihr an; sie und meine Mutter redeten zurzeit viel mehr miteinander als früher. Elise rief sie mehrmals in der Woche an, um sie zu fragen, was man bei Windelausschlag machen könnte oder bei Fieber - oder an einem langen, kalten Tag ohne jede Abwechslung.
    Mein Vater beugte sich vor und schaute Miles an. »Brauchst du etwas?«, fragte er. »Soll ich dir sein Fläschchen holen?«
    »Er hat gerade eins bekommen. Er ist heute Morgen einfach unruhig. Letzte Nacht ist er dreimal aufgewacht.« Sie sah mich an. »Hast du ihn gehört?«
    Ich schüttelte den Kopf. Das Gästezimmer war im Erdgeschoss, Miles' Zimmer im ersten Stock.
    »Ha«, sagte sie und verlagerte ihn auf ihren anderen Arm. »Mein Mann auch nicht. Habt ihr beide aber einen guten Schlaf.«
    Miles beruhigte sich und schaute ihr ins Gesicht, eine kleine Hand vor den Mund gelegt, als wollte er sein Staunen verbergen. Er hatte die Augen meiner Mutter, und er lächelte jetzt schon so schief wie Charlie. Ein paar Minuten lang starrten wir ihn fasziniert an - als wäre er ein Feuer in einem offenen Kamin.
    »Susan müsste bald hier sein.« Mein Vater ging um den Baum herum, setzte sich auf die Couch und zerrte an seinem Rollkragen. Er sah über die Schulter und zog den Vorhang ein Stück zur Seite. Dabei wirkte er nervös. Er hatte Susan sein Geschenk noch nicht gegeben, aber uns hatte er es gezeigt: ein Verlobungsring mit einem wunderschön geschliffenen Diamanten. Bereits vor Thanksgiving hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht; sie wollten irgendwo an einem Strand heiraten, sobald sie sich beide auf der Arbeit frei nehmen konnten.
    Mein Vater hatte Elise und mir am Tag nach Thanksgiving, als Susan nicht da war, von ihren Plänen erzählt. Er hatte uns beide gebeten, im Esszimmer Platz zu nehmen, und mit ernster Miene beide Hände flach auf die Glasplatte gelegt, als müsste er sie nach unten drücken. Es war eine defensive Haltung gewesen, er war bereit für einen Streit. Doch keine von uns hatte ihm Gelegenheit dazu gegeben. Wir mochten Susan beide gern. Als er im letzten Oktober Schmerzen in der Brust gehabt hatte, war es Susan gewesen, die ihn dazu gebracht hatte, in die Notaufnahme zu gehen. Dort hatte man festgestellt, dass er keinen Herzanfall hatte, aber bald einen bekommen würde, wenn er nicht einiges in seinem Leben änderte. Es war Susan, die ihn daran erinnerte, seine Medikamente zu nehmen, und Susan, die ihn überredete, zweimal in der Woche nach der Arbeit in einen Yogakurs zu gehen. Und sie lachte über seine Witze. Sie hörte sich aufmerksam seine Geschichten an, die neuen ebenso wie die alten, die wir schon zu oft gehört hatten. Für Elise und mich war Susan so etwas wie eine neue Einsatztruppe, ein völlig neuer Mensch, der ihn kein bisschen satthatte, der bereit war, es mit seiner Energie aufzunehmen.
    »Ich weiß, dass es erst ein Jahr her ist«, hatte er an jenem Tag gesagt. »Oder nicht ganz ein Jahr«,
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