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Weihnachten steht vor der Tuer

Weihnachten steht vor der Tuer

Titel: Weihnachten steht vor der Tuer
Autoren: Monika Feth
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eine Rabenmutter. Statt die Kinder und mich anständig zu füttern, hortet sie alles für ihn.

4. Dezember
    Der Mann hat die Krippenfiguren aus dem Keller geholt und malt sie frisch an.
    Die Farbe stinkt.
    Deshalb halte ich mich lieber fern von dem Mann. Obwohl er mir oft Leckerbissen zusteckt. Auch wenn dann die Frau mit ihm schimpft und behauptet, ich sei sowieso schon viel zu fett.
    Fett!
    Stattlich vielleicht, ein gut aussehender, stattlicher Kater. Und ein, zwei Häppchen zwischen den Mahlzeiten sind doch wirklich nicht der Rede wert.
    Marlene lernt für ihre Weihnachtsaufführung. Wieder etwas für ihn, diesen Weihnachten. Eine ganz bestimmte Stelle, die sagt sie immer falsch. Die kann sie sich einfach nicht merken. Und dann bekommt sie einen Wutanfall, zerknickt ihr Textbuch und stampft mit dem Fuß auf. Wie ein zu groß geratenes Rumpelstilzchen.

    Ellen übt für die Blocklötengruppe. Weihnachtslieder. Die Töne hüpfen durchs ganze Haus, schrill und falsch, zum Ohrenknicken. Das soll auch für Weihnachten sein. Wenn sie ihn mit dem Gejaule bloß nicht vertreibt!
    Ich frage mich, wie er Ellen und ihrer Blocklötengruppe zuhören und Marlene in dem Stück zuschauen will. Beides findet nämlich gleichzeitig statt. Und an verschiedenen Orten.
    Aber ich hab das Gefühl, diesem Weihnachten ist alles zuzutrauen. Würde mich gar nicht wundern, wenn er sich sogar verdoppeln könnte. Wie die Geisterkatzen in den Geschichten, die sich die Alten abends bei Vollmond erzählen.
    Fränzchen bastelt.
    Alle Fensterscheiben hängen schon voll. Rote Sterne. Grüne Sterne. Goldene und Silbersterne. Darunter krumme Kirchen und Hutzelhäuschen, windschiefe Tannen, dickbauchige Schneemänner und pflaumengroße Wattebauschflocken. Und für wen tut Fränzchen das alles? Obwohl er Basteln eigentlich hasst?
Obwohl er sich immerzu schneidet und schon übersät ist mit Pflasterstreifen?
    Für Weihnachten natürlich.
    Für wen sonst? Papierschnipsel fallen vom Tisch und kleben mir an den Pfoten fest. Der Klebstoff schmeckt fürchterlich.

5. Dezember
    Andauernd reden sie von Weihnachten. Dass er bald kommt. Dass er jedes Jahr einmal kommt. Dass er ihnen viel Arbeit macht. Alle scheinen ihn zu kennen, nur ich nicht.
    Ich passe höllisch auf.
    Verlasse die Diele bloß noch, um zu fressen und danach einen kleinen Verdauungsspaziergang zu machen.
    Es kommen auch eine ganze Menge Leute. Aber leider nur solche, die ich kenne. Oma und Opa. Tante Helene. Onkel Theodor. Dann natürlich der Postbote. Neuerdings bringt er haufenweise Weihnachtskarten.
    Warum bloß? Weihnachten wohnt doch überhaupt nicht bei uns.

6. Dezember
    Es läutete und ich fegte zur Tür. Die Frau machte auf und draußen stand ein Mann. Dicker roter Mantel, rote Kapuze, langer weißer Bart. Er trug einen schweren Sack auf dem Rücken und sprach langsam und gedehnt. Mit einer tiefen Brunnenstimme und außerdem in Reimen. »Von drauß’ vom Walde komm ich her. Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr.«
    Den Rest hab ich vergessen. Ich war auch viel zu aufgeregt, um weiter zuzuhören.
    Es weihnachtet sehr! Ich hatte ihn entdeckt! Das war er, Weihnachten, und er stand wirklich und leibhaftig vor der Tür!
    Ich machte einen Begrüßungsbuckel, strich ihm um die Beine und schnurrte. Als hätte ich den Motor von Fränzchens E-Lok verschluckt.

    Fränzchen, der mich sonst immer zur Seite schubst, um selber an den Besuch heranzukommen, drückte sich an die Frau. Er zitterte erbärmlich und traute sich nicht mal, Weihnachten anzugucken.

    Ich schnupperte an Weihnachtens Hosenbeinen. Irgendwie roch er sehr vertraut. Unheimlich vertraut. Endlich, dachte ich, endlich. Aber will ihn denn keiner hereinbitten?
    Als hätte die Frau meine Gedanken gelesen, machte sie eine einladende Bewegung mit dem Arm. Erwartungsvoll streckte ich den Schwanz steil in die Luft.
    Doch dann sagte sie zu ihm: »Komm herein, lieber Nikolaus.«
    Nikolaus?

    Das war schlimmer als eine kalte Dusche. Der Nikolaus bückte sich und wollte mich streicheln. Aber ich habe mein Knurren Alarmstufe zwei losgelassen und bin unter seiner Handschuhhand weggetaucht. Obwohl ich inzwischen wusste, an wen mich der Geruch erinnerte.
    Der Hochstapler roch wie der Mann, und niemanden rieche ich lieber als ihn.
    Er hat ein Stückchen Käse aus der Tasche gezaubert und es mir vor die Nase gehalten. Echten, weichen, verführerischen Leerdammer.
    Aber ich bin nicht bestechlich.
    Für jemanden, der fremde Gerüche stiehlt, sich als
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