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Weihnachten steht vor der Tuer

Weihnachten steht vor der Tuer

Titel: Weihnachten steht vor der Tuer
Autoren: Monika Feth
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Weihnachten sei ein Festessen irgendwann im Dezember.
    Ein Festessen!
    »Mein Mann hat aber neulich gesagt, dass Weihnachten vor der Tür steht«, sagte ich zu Waldemar.
    »Vielleicht hat er sich in der Zeit geirrt, mag sein. Aber auf jeden Fall muss Weihnachten irgendwann vor der Tür stehen.«
    »Vielleicht eine gebratene Gans?« Waldemar hielt den Kopf schräg und legte die Stirn in speckige Dackelfalten.
    »Und wie soll diese verdammte gebratene Gans vor
die Tür kommen?«, hab ich ihn angeraunzt. »Etwa auf ihren verdammten gebratenen Watschelkeulen?«
    »Wer weiß?«, hat Waldemar geknurrt. Zwar nur halbherzig, aber immerhin.
    Das konnte ich ihm nicht durchgehen lassen.
    »Du bist ein Idiot«, hab ich gefaucht und das Knurren ist ihm im Hals stecken geblieben.
    Er ist ein Stück von mir weggekrochen, halb auf dem Bauch, und hat mich in Ruhe seinen Napf leeren lassen.

    Lieber Gott, hab ich gedacht, danke, dass du mich nicht als Dackel hast auf die Welt kommen lassen.

23. Dezember
    Die Familie spielt verrückt. Es geht bei uns zu wie in einem Taubenschlag. Sie hasten an mir vorbei und machen diese geheimnisvollen Gesichter, die ich nicht ausstehen kann. Fränzchen klebt an den Türen und guckt durch sämtliche Schlüssellöcher.
    Ich rühre mich nicht vom Fleck.

    Alles scheint auf eine Zuspitzung zuzulaufen. Wenigstens verpasse ich draußen nichts. Es regnet, ist kalt und dunkel. Sogar die Vögel bleiben in ihren Schlupfwinkeln. Den ganzen Tag über brennt das Licht.
    Die Schatten in der Diele wispern von Geheimnissen.

24. Dezember

    Der Mann hat den Tannenbaum in einen geräumigen Kübel gepflanzt und ins Wohnzimmer gestellt. Die frische Erde riecht wundervoll.
    Die Frau hat einen großen Pappkarton aus dem Keller geholt und Fränzchen hat ihn ausgepackt. In dem Karton waren bunte Glaskugeln und kleine Figürchen.

    Ungenießbar, aber hübsch anzusehn.
    Die Kinder haben die Kugeln und Figürchen in den Baum gehängt und Kerzen auf seine Zweige gesetzt.

    Der Mann hat die Krippe aufgebaut. Ich habe versucht, mir eine von den Kugeln zu angeln, eine einzige nur, und den Schock meines Lebens davongetragen. Sie haben sich aufgeführt wie Drosseln, die ihr Nest verteidigen. Sie schrien und klatschten in die Hände und jagten mich aus dem Zimmer. Sogar der Mann!
    Aus meinem Versteck unter der Garderobe sah ich, wie sie Päckchen ins Wohnzimmer trugen und unter den geschmückten Baum legten. Ein Satz und ich war bei den Päckchen und tippte eines vorsichtig an.
    Wirklich vorsichtig.
    Wie eine Maus, von der ich nicht genau weiß, ob sie tot ist oder unvermutet aufspringt. Und da haben sie wieder ihren Drossellärm aufgeführt und mich weggejagt.

    Beleidigt habe ich mich zurückgezogen. Sollen sie doch alles diesem Weihnachten geben, hab ich gedacht. Sollen sie mich anschreien und verscheuchen. Mir doch egal. Ich habe mich in Fränzchens Zimmer verkrochen. Da ist immer so ein Durcheinander, dass mich auf den ersten Blick keiner findet. Ich habe mich zwischen den Kuscheltieren und dem zerwühlten Bettzeug ausgestreckt und den Kopf an dem Teddy gerieben. Der riecht so tröstlich nach Fränzchen, eingetrockneter Schokolade, Joghurt und Filzstift. Es dauerte nicht lange und ich war eingenickt.

    Oma und Opa kamen. Ich hörte ihre Stimmen, aber ich rührte mich nicht vom Fleck. Kaffeegeruch zog aus der Küche herauf, aber ich ließ mich nicht locken. Allmählich fiel draußen die Dämmerung. Und plötzlich bimmelte ein Glöckchen und sie fingen unten an zu singen.
    Mein verletzter Stolz kämpfte mit meinem leeren Magen und meiner Neugier und schließlich kehrte ich ins Wohnzimmer zurück. Aber ich schaute keinen an, das nicht.
    Ich sprang auf die Fensterbank und zeigte ihnen mein Hinterteil. Oma und Opa hatten das nicht verdient, aber ich sagte mir grimmig: Mensch ist Mensch. Im Grunde sind sie alle gleich. Elende Maulwurfdiebe, Vogelliebhaber und Katzenverjager.
    Sie waren zerknirscht. Sie streichelten mich und stellten mir ein Schälchen mit Sardinen hin. Sardinen! In Öl!

    »Frohe Weihnachten«, sagte der Mann und lächelte, wie er sonst nie lächelt.
    So feierlich und irgendwie verlegen, so merkwürdig sanft. Dabei hatte er doch gerade noch mit mir herumgebrüllt.
    Weihnachten?
    Schlagartig war ich satt. Hatte ich ihn etwa doch verpasst? Als ich oben lag und schmollte?

    Natürlich hatte ich ihn verpasst! Alle waren so merkwürdig aufgekratzt. Sie zündeten die Kerzen an, und dann machten sie die Päckchen auf und
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