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Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit

Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit

Titel: Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit
Autoren: Hildegund Keul
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Das wiederum macht sie keineswegs unglücklich. Vielmehr wächst ihnen in dieser Hingabe, die ein großes Wagnis ist, Leben in Fülle zu. So spiegelt sich bei den Menschen der Weihnachtsgeschichte, was Gott in der Inkarnation tut: Sie werden Mensch, indem sie Hingabe wagen. Sie werden zu weihnachtlichen Menschen.
Ausgeschlossene einbeziehen. Die armseligen Hirtinnen und Hirten
    »In jener Gegend lagerten Hirten und Hirtinnen auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.« (Lk 2,8) Wenn Hirtinnen und Hirten nachts die Herde bewachen, für die sie verantwortlich sind, dann rechnen sie mit manchen Überraschungen. Räuberische Banden können sie überfallen, einen Teil oder gar die ganze Herde rauben und ihnen selbst Schaden zufügen an Leibund Leben. Raubtiere wie Löwe, Gepard oder Bär können auf leisen Pfoten heranschleichen und ihre Tiere reißen. Dann müssen sie sich ihnen in den Weg stellen und damit das eigene Leben riskieren. Das macht ein Hirtenleben besonders gefährlich. Oder ein Unwetter zieht auf und verletzt ihre Herde oder treibt sie auseinander. Die Hirtinnen und Hirten sind draußen unterwegs, vagabundierend über Felder und Weiden, durch Gestrüpp und Wildnis hindurch. Ohne moderne Outdoor-Kleidung leben sie draußen und sind nur selten von Mauern und Dächern geschützt. Ihre Verwundbarkeit ist groß. Daher brauchen sie nicht nur tagsüber, wenn ihre Herde unterwegs ist, sondern auch nachts eine hohe Aufmerksamkeit für das, was sich um sie herum ereignet. Während die Anderen schlafen, muss wenigstens Eine oder Einer wach und konzentriert präsent sein, denn sie selbst und ihre Herde sind in besonderem Maß schutzbedürftig.
    Die Tiere, die sie zu bewachen haben, sind ihre zentrale Lebensressource. Sie brauchen sie zum Überleben. Oft gehören diese Tiere nicht den Hirtinnen und Hirten, sondern sie werden dafür bezahlt, dass sie Schutzdienst leisten. Aber auch dann ist es für sie überlebenswichtig, dass den Tieren nichts zustößt. Sie sorgen dafür, dass die Schafe und Ziegen gesund und unverletzt bleiben. Andernfalls bekommen sie Ärger, müssen eventuell Ersatz leisten oder verlieren ihren Arbeitsplatz. Die soziale Stellung der Hirtinnen und Hirten ist miserabel. Sie gehören zur Unterschicht, genießen kaum soziales Ansehen und sind »unansehnlich«. Mit den regulären kulturellen, religiösen und politischen Prozessen der Städte haben sie nur indirekt zu tun. Ihre Lebensweise und ihre soziale Stellung schließen sie von entscheidenden Vorgängen derGesellschaft aus. Sie sind eher armselige Gestalten und können keine ansehnlichen Reichtümer vorweisen. Zu großen, gesellschaftlich bedeutsamen Anlässen und rauschenden Festen werden sie nicht eingeladen.
    Weil sie in dieser Situation leben und arbeiten, müssen sie vorsichtig und aufmerksam sein. Sie sind auf allerhand Überraschungen gefasst. Aber sie rechnen nicht mit dem, was der Evangelist Lukas erzählt: dass ein Engel und himmlische Heerscharen auftreten. Ein Engel erscheint, erklärt ihnen die Bedeutung des Kindes in der Krippe und überbringt ihnen die Botschaft von der Geburt des Messias. »Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.« (Lk 2,8–12)
    Diese Botschaft des Engels ist eine ausführliche theologische Rede. Sie richtet sich nicht an die Schriftgelehrten, die lieber zuhause geblieben sind, und nicht an die Hohenpriester, die an ihren Altären hängen, sondern an die Habenichtse auf freiem Feld. Der Engel zweifelt offensichtlich nicht daran, dass die Hirtinnen und Hirten seine Rede vom Messias, dem Retter in der Stadt Davids, verstehen. Das Zeichen, das der Engel ihnen nennt, ist aus ihrem Leben gegriffen – ein Neugeborenes in einer Krippe, dem Futterplatz ihrer Tiere. Von Geburten und Krippen verstehen sie etwas, auch wenn in dieser Geburt etwas steckt, das ihr Verstehen übersteigt.
    Dann tritt sogar eine ganze Heerschar auf. »Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.« (Lk 2,13
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